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Lernort Bibliothek. Ein Vorwort

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Das Verhältnis von Schulen und Bibliotheken war lange Zeit durch konzeptionelle, inhaltliche, personale und räumliche Abgrenzungen geprägt. Das Selbstverständnis von Unterricht und Bibliotheksarbeit ist inzwischen ein anderes, es ist auf Kooperation und Schnittstellengestaltung ausgerichtet. Unterschiedliche Expertisen ergänzen sich, differenzierte Medienzugänge und Wissensbestände stehen für fachliches wie überfachliches Lernen bereit, je eigene Methodenrepertoires sind auf wechselseitige Anschlüsse ausgerichtet. Lernende nutzen flexible Lernarrangements und haben Zugriffe auf Material, Medien und Unterstützung. Ein Zukunftsszenario? In Teilen gewiss, aber vielerorts bereits Realität. 

Wenngleich sie sich unter dem gleichen Dach wie die Klassenräume einer Schule befinden, ist es für Schulbibliotheken nicht immer leicht, ihren Stellenwert für die Schulkultur und Schulentwicklung sichtbar zu machen und schulinternen Zielgruppen gegenüber zu kommunizieren. Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken, die beispielsweise Autorenlesungen oder Recherchetrainings anbieten und mit diesem Veranstaltungsprogramm auch oder gerade Schulklassen adressieren, sehen sich mitunter noch stärker als die räumlich immerhin näher an den Klassenzimmern gelegene Schulbibliothek herausgefordert, ihre schulische Relevanz und damit auch ihre Relevanz und ihre Anschlussfähigkeit für Lern- und Bildungsprozesse zu verdeutlichen.

Ziele: Teilhabe und Bildung

Einerseits bildet das Basisangebot der Bibliothek als Archiv und Ausleihstelle nur eine Facette dessen ab, was (Schul-)Bibliotheken für Lernende, aber auch Lehrende sein und leisten können. Dies wird deutlich, wenn man jüngere, auch internationale Entwicklungen im öffentlichen Bibliothekssektor sowie in Teilen auch in Schulbibliotheken als Kontrastfolie heranzieht: Zu den zentralen Zielen von Bibliotheksarbeit zählt es künftig noch stärker, gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Bildungsmöglichkeiten durch den Zugang zu Wissen zu ermöglichen. Bibliotheken wollen dabei Zugänge zu breit gestreuten Wissensbeständen ermöglichen, die Wissensquellen in unterschiedlicher medialer Darbietung (z. B. Buch, DVD, digitales Zeitschriftenangebot) bereitstellen und Strategien der Wissenserschließung, wie die Nutzung von Datenbanken und Suchmaschinen, aufzeigen sowie ganz grundlegend in die Nutzung und kulturelle Bedeutung des Orts Bibliothek einführen. Jüngere (Schul-)Bibliotheken erweitern das Aufgabenfeld um einen gewichtigen medienpädagogischen Akzent: Gesellschaftliche Teilhabe und individuelle Bildungsmöglichkeiten werden nicht nur zu erreichen angestrebt, indem den Bibliotheksnutzern und -nutzerinnen Wissen zur reflektier- Lernort Bibliothek 5 ten Medienrezeption oder die Infrastruktur zum Wissenserwerb bereitgestellt wird, sondern auch dadurch, dass sie am Wissensaufbau partizipieren, indem sie Medien zielgerichtet gemeinsam zu nutzen lernen (z. B. sich an einer Forendiskussion beteiligen) sowie zudem Medienprodukte selbst gestalten (vom Buchtrailer bis hin zum 3D-Druck). 

Um möglichst breite Bevölkerungsgruppen bzw. die gesamte Schülerschaft zu erreichen, wollen sie niedrigschwellig im Zugang sein und erhöhen zu diesem Zweck u. a. die Ausstattungs- und Aufenthaltsqualität des Raums, z. B. durch die Integration von Couches oder ganzer Lounge-Bereiche. Sogenannte Zonierungen, d. h. funktionale Aufteilungen des Bibliotheksraums in Ruhebereiche und Bereiche des Austauschs, konkret: in Räume für solitäres oder kooperatives Arbeiten und in Räume des Entspannens, des Spielens oder lebhaften Diskutierens, ermöglichen mehrere Nutzungen nebeneinander. In jüngeren (Schul-)Bibliotheksneubauten, aber auch im Zuge von Neugestaltungen und Neumöblierungen bestehender Einrichtungen ist dieses Selbstverständnis der Bibliothek als Arbeitszimmer, Wohnzimmer, Spielzimmer und öffentliches Forum entsprechend räumlich sichtbar.

Angebotsprofile am Ort (Schul-)Bibliothek

Andererseits bestehen unterschiedliche Strategien, wie die schulinterne oder die nächstgelegene externe Bibliothek sich ins Verhältnis zum Ort Schule setzt: Sie kann sich beispielsweise primär als Freizeitgestaltungsangebot sehen, das Lesefreude bereiten will und sich dazu auch einer räumlichen Nutzung durch die Nachmittags- oder Ganztagsbetreuung öffnet, um von Leseferneren quasi zufällig als Ort entdeckt werden zu können, der im Lesen, Vorgelesen-Bekommen oder Hören von Geschichten Gratifikationserlebnisse schafft. (Schul-)Bibliotheken, die (auch) als Lernort wahrgenommen werden wollen, bedienen sich dagegen anderer oder weiterer Strategien: 

Hier sucht das Bibliotheksteam – im Fall von Schulbibliotheken oder eher ländlichen Bibliotheken in der Praxis häufig nur aus einer Person bestehend – den engen Austausch mit dem Kollegium und den Schulterschluss mit den Fächern. Das kann heißen, dass Angebote von und in der Schulbibliothek oder externen Partnerbibliothek mit fächerübergreifenden Aufgaben, wie der Förderung von Lesekompetenz, sowie mit Inhalten des Fachunterrichts abgestimmt werden. Die Schulbibliothek kann als Triebfeder für fächerübergreifende schulische Aufgaben fungieren, die mediale und räumliche Ressourcen vorhält, mit Hilfe derer diese Aufgaben systematischer angegangen werden, und die zugleich integrativ in den Fachunterricht hineinwirkt.

Nachholbedarf: Bildungslandschaften gestalten

Im Wintersemester 2021/22 haben die beiden deutschdidaktischen Lehrstühle der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt unter Leitung von Vertr.-Prof. Dr. Christine Ott und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Wrobel in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) zum Austausch eingeladen über Erreichtes und noch zu Erreichendes auf dem Weg der institutionellen Vernetzung von Schule und Bibliothek in ihren vielfältigen Erscheinungsformen (z. B. Stadtteilbibliothek, Schulbibliothek etc.). 

Im Rahmen der Themenwochen „Bildungslandschaften gestalten“ diskutierten Lehrkräfte und Bibliotheksmitarbeitende mit Vertreterinnen und Vertretern der Deutschdidaktik und Bibliothekspädagogik sowie der Bildungsadministration über gemeinsame Aufgaben von Bibliotheken und Schulen, über gelungene Praxisbeispiele und erfolgsversprechende Rahmenbedingungen der Kooperation sowie über Qualifizierungswege für an der Schnittstelle von Schule und Bibliothek Tätige, die dabei helfen, beide Institutionen enger zu vernetzen (z. B. Fort- und Weiterbildungen zu Teacher Librarians oder Zertifikatsprogramme im Bereich Lese- und Literaturpädagogik). An diesen Diskussionen setzt die vorliegende Publikation an und führt sie facettenreich und vermittlungspraxisnah für jene fort, die tagtäglich daran arbeiten, (Schul-)Bibliotheksangebote und das System Schule im Dienst einer systematischen und institutionenübergreifenden Leseförderung, Medienbildung und Förderung von Informationskompetenz zusammenzubringen.

Staatsinstitut als Multiplikator

Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) hebt mit der ISB-Stelle für Leseförderung und Schulbibliothek die Bedeutung dieser schulartübergreifenden Themen hervor. In Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen, der Landesfachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen der Bayerischen Staatsbibliothek sowie verschiedenen Universitäten berät und unterstützt das Referat bayerische Lehrkräfte und diejenigen, die Schulbibliotheken betreuen, und fungiert damit als Schnittstelle zwischen Schulen (sowohl deren Administration als auch Praxis), Bibliotheken und Wissenschaft. Zusammen mit dem Arbeitskreis #lesen.bayern und dessen Teilgruppe der Schulbibliothekarischen Fachberaterinnen und Fachberater werden Konzepte wie die Initiative #lesen.bayern entwickelt und multipliziert sowie Impulse gesetzt für die Weiterentwicklung der Schulbibliotheksarbeit durch überregionale Fortbildungsveranstaltungen, wie den Bayerischen Schulbibliothekstag oder das Gütesiegel Schulbibliotheken.

Die Beiträge

Die Diskussion in diesem Band eröffnet Kerstin Keller-Loibl mit ihrem grundlegenden Beitrag zum Selbstverständnis und Aufgabenprofil öffentlicher Bibliotheken aus der disziplinären Warte der Bibliothekspädagogik. Daran schließt der organisationspädagogische Beitrag von Christine Ott zur hervorgehobenen Rolle von Bibliothekscurricula als Instrumente der strukturierten Zusammenarbeit zwischen Schule und Bibliothek, zwischen Fachunterricht und Bibliotheksangebot an. Die Gymnasiallehrerin Tina Künzel blickt sodann detaillierter darauf, welche Lehrplanaufgaben Schulbibliotheken übernehmen können, und diskutiert, wie Fachunterricht und fächerübergreifende Schulentwicklungsaufgaben, wie im Medienkonzept festgeschrieben, unter Bibliothekseinbindung besser erreicht werden können. 

Die ISB-Referentinnen für Leseförderung und Schulbibliotheken Christina Neugebauer und Nina Ruisinger zeigen an der Initiative #lesen.bayern auf, welche Unterstützungsstruktur die Bildungsadministration für die inhaltliche und organisatorische Arbeit in bzw. für Schulbibliotheken vorhalten kann. Der Beitrag der Bibliothekarin und Lese- und Literaturpädagogin Daniela Scheller wiederum stellt ein konkretes Leseanimationsangebot für Grundschulklassen vor. 

Jochen Diel diskutiert anschließend in seiner Doppelfunktion als Schulbibliotheksleiter und Fachberater für andere bayerische Schulbibliotheken Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Schule, Schulbibliothek und öffentlicher sowie wissenschaftlicher Bibliothek in der Förderung von Informationskompetenz. Die Bibliothekspädagogin Kathrin Reckling-Freitag ergänzt diesen Themenschwerpunkt um ein prämiertes Vermittlungs- und Fortbildungskonzept von und an Bibliotheken zur kritischen Mediennutzung namens Die FakeHunter. 

Die Bayerische Schulbibliothekarische Fachberaterin Sabine Hrach weitet nachfolgend den Blick und behandelt in ihrem Beitrag Kriterien für die qualitätsvolle Schulbibliotheksarbeit, wie sie im bayerischen Gütesiegel für Schulbibliotheken festgehalten sind und bayerischen Schulen Orientierung bieten sollen. 

Eine Bilderstrecke des ISB Bayern zu Schulbibliotheken, die 2021 mit dem ersten bayerischen Gütesiegel ausgezeichnet wurden, gibt Einblicke in eine zeitgemäße Schulbibliotheksarbeit. 

In einem abschließenden Serviceteil findet sich eine Zusammenstellung von Christine Ott und Sandra Schatz zu aktuellen Fort- und Weiterbildungsangeboten für Mitarbeitende in (Schul-) Bibliotheken, die auf eine bessere Vernetzung der Systeme Schule und Bibliothek abzielen. Dieter Wrobel stellt im Serviceteil außerdem die Praxishandreichung der Frankfurter Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle vor.