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„Der Computer schaut beim Lesen zu“: Lesediagnostik und Leseförderung (Realschule Regen)

Die Siegfried-von-Vegesack-Realschule in Regen bietet ihren Schülerinnen und Schülern ein außergewöhnliches Leseförderunprogramm. Der Stellvertetende Schulleiter, Dr. Matthias Böhm, dem die Leseförderung an seiner Schule sehr am Herzen liegt, geht mit dem Eyetracking als Diagnosemittel dabei neue Wege und unterstützt Kinder und Eltern sogar mit einer eigens konzipierten Homepage. Im Interview erklärt er uns, was das Leseförderunkonzept auszeichnet. 

 

Was ist das Besondere an der Leseförderung an der RS Regen?

Wie an vielen Schulen existiert an der Siegfried-von-Vegesack-Realschule Regen eine Förderung der Lesemotivation mittels Büchereibesuchen, Autorenlesungen und anderen themenabhängigen Aktionen. Da aber einerseits die Wirkungsrichtung zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz keineswegs eindeutig ist und andererseits gerade für schwache Leser und Leserinnen Lesemotivationsprogramme nicht die erwünschte Wirkung zeigen, wollten wir zusätzlich einen neuen Weg beschreiten. Deshalb setzt unsere Schule auf eine umfangreiche evidenzbasierte Feindiagnose der Zubringerleistungen und Teilleistungsbereiche der Lesekompetenz. Dazu gibt es mehrere Stufen der Diagnostik: Ein erstes Screening für alle Schülerinnen und Schülern der fünften Klassen und eine Feindiagnose, die von Kindern mit besonderen Problemen durchlaufen wird.

Wie wird die Lesekompetenz getestet?


Beim Screening, das in zwei gleich schweren Varianten vorliegt, lesen die Kinder zwei verschieden schwere Texte laut vor und beantworten Verständnisfragen dazu. Dabei werden die Lesezeit und die Lesefehler festgehalten. Das Screening benötigt weniger als 45 Minuten und wird im Klassenverband durchgeführt. Die Textschwierigkeiten wurden mittels des RATTE-Tools der Universität Regensburg angepasst. Das Screening wird zu Beginn des Schuljahres in einer ersten Variante und nach Ende des ersten Förderhalbjahrs erneut in der zweiten Variante durchgeführt.

Welcher Anteil an Schülerinnen und Schülern erhält eine weiterführende Feindiagnostik und wie sieht diese aus?

Etwa die schwächsten 15% der Leserinnen und Leser der fünften Klassen erhalten das Angebot der Feindiagnostik, zu der die Eltern zustimmen müssen. Hierzu wurde zu einem standardisierten Lesetest (ZLT-II) eine Erweiterung um Blickbewegungsmessungen erstellt. Somit können wichtige Bereiche wie Sichtwortschatz, Phonologische Bewusstheit, Leseverständnis und Leseflüssigkeit überprüft werden. In den Bereichen des Sichtwortschatzes und der Phonologischen Bewusstheit setzt auch die Blickbewegungsmessung an. Hier wird mittels einer hochfrequenten Kamera unter einem Monitor gemessen, wie ein Kind verschiedene Wörter oder Texte liest: Welche Problemstellen werden als solche erkannt, welche Worttypen bereiten welche Schwierigkeiten?

Wie werden die SuS anschließend gefördert?


Alle Schüler erhalten nach dem Screening eine Förderempfehlung oder die Nachricht, dass keine zusätzliche Leseförderung notwendig ist. Die Kinder, die die Feindiagnose durchlaufen haben, werden nach ihren Teilkompetenzen in ein Kompetenzraster eingeordnet, das man sich wie eine große Tabelle aus Teilkompetenzen (Zeilen) und Abstufungen dieser Kompetenzen (Spalten) vorstellen kann. Für jedes Feld dieser Tabelle gibt es Übungen, die in einem digitalen Förderplan für das Kind individuell hinterlegt sind und über eine eigene Lesehomepage der Schule bereitgestellt werden. So können die Kinder die Übungen sowohl in schulischen Förderangeboten (Klassenübergreifende Förderstunde am Vormittag, Förderunterrichte am Nachmittag) als auch zuhause absolvieren. Die förderbegleitende Lehrkraft erhält die Ergebnisse der einzelnen Übungen als E-Mail automatisiert zugesandt und überwacht den Fortschritt der betreffenden Schülerinnen und Schüler. Ist dieser erreicht, wandert das Kind im Kompetenzraster ein Feld nach rechts und erhält neue Übungen.

Wodurch wird die systematische Verankerung der Förderung erreicht?

Im Grunde liegt es an der Schule, den Raum für Leseförderung zu schaffen. Wird verstärkt auf Individualisierung im Unterricht gesetzt, braucht es keine Vorgaben für alle Fächer, das Lesen zu fördern. Denn nicht alle Schülerinnen und Schüler brauchen diese Förderung gleichermaßen. Es müssen also Freiräume geschaffen werden, die Zeit zur Individualisierung bringen. An der Realschule Regen werden z.B. Deutschstunden eines Jahrgangs parallel gelegt, um einzelne Gruppen klassenübergreifend fördern zu können. Weitere Möglichkeiten bieten Freiarbeit oder Wochenplanarbeitsphasen.

Welche Erfolge konnten im ersten Jahr der Maßnahmen erzielt werden?

Die getroffenen schulorganisatorischen und unterrichtlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenzen zeigen gute Wirkungen: Die neuen 5. Klässlerinnen und Klässler konnten ihre Leseflüssigkeit im ersten Halbjahr des Schuljahres um durchschnittlich ca. 15 % steigern. Ein Wert, der schon auf das ganze Schuljahr gesehen befriedigen würde, so aber umso bemerkenswerter ist. Die Gruppe, die die Feindiagnose durchlaufen hatte, erreichte eine Verbesserung um 23 %.

Wie soll die Leseförderung an der Realschule Regen fortgeführt werden?

Im Schuljahr 2019/20 soll das Programm auf die 6. Klassen erweitert werden. Es soll außerdem ein Netzwerk an Bildungseinrichtungen im In- und Ausland geschaffen werden, welche sich an der Weiterentwicklung des Programms beteiligen wollen. Auch sollen die digitalen Übungen durch Zusammenarbeit mit Programmierern in Ihren Feedbackfunktionen verbessert werden. Konkret wurde ein Erasmus+-Antrag erfolgreich gestellt, der die Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten in Finnland, Estland und Irland vorsieht. Hierbei geht es darum, in den Austausch über Leseförderung zu gehen, gemeinsam Probleme anzugehen und Know-how zu bündeln.

Lieber Herr Dr. Böhm , ganz herzlichen Dank für das Interview.

(Das Interview wurde im Sommer 2019 geführt. Die Frage stammen von Frau Nina Ruisinger.)

 

 

 

Bei Fragen können Sie sich auch gerne direkt an Herrn Dr. Matthias Böhm, Stellvertretenden Schulleiter der Staatlichen Realschule Regen wenden:

Tel.: 09921 2328
E-Mail: Matthias.Boehm@realschule-regen.de