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Erich Kästner; Josefine Taape (Illustr.): Gullivers Reisen

Besprechung

Der Klassiker von Jonathan Swift wird in der Nacherzählung Kästners hier mit Illustrationen von Josefine Taape neu aufgelegt

Viele Kinder mögen die fantastischen Reisen des Schiffsarztes Lemuel Gulliver nicht mehr kennen, die Swift vor ungefähr 300 Jahren veröffentlicht hat. Die Jahreszahl 1725 findet sich auch im Vorwort, als man mit Gulliver in seinem Obstgarten sitzt, wo er die nachfolgenden Erlebnisse seiner Reise niederschreibt. Diese ist wahrlich fantastisch – einmal landet er nach einem Schiffbruch in Liliput, für dessen Bewohner er ein Riese ist. Seine Erscheinung dort ist Segen und Fluch zugleich: So verschlingt er Unmengen von Nahrung und bringt die Wirtschaft fast zum Erliegen, weil alle Menschen von ihrer Arbeit wegeilen, um ihn zu sehen. Andererseits hilft er im Konflikt mit einer Nachbarinsel, indem er deren Kampfschiffe raubt und zu Friedensverhandlungen beiträgt. Ganz andere Erfahrungen macht er auf der nächsten Reise, wo er bei Riesen im Land Brobdingnag strandet. Nun erscheint für ihn alles fürchterlich laut und gefährlich. Er wird zur Schau gestellt, ist Intrigen des Hofzwerges ausgesetzt und würde ohne den aufopfernden Schutz eines Riesenkindes gar nicht überleben.
Gullivers Reisen in dieser neuen Auflage ist nach wir vor ein schönes Buch zum Lesen, Vorlesen und Anschauen. Die jeweils verschiedenen Rollen als Zwerg und Riese und deren Perspektive sind nicht nur unterhaltend, sondern laden zum Nachdenken und Reflektieren ein.

Didaktische Hinweise

So können im Unterricht begleitend zur Lektüre u.a. folgende Arbeitsaufträge gestellt werden:

  • Fertigt im Team Bilder oder Fotocollagen zu einer Buchszene, die euch besonders gefällt. Für Szenen wie der, als Gulliver aus einer Riesentasse trinkt, könnt ihr mit verzerrter Perspektive arbeiten oder das Foto des kleinen Gulliver ausschneiden und in ein anderes Foto einfügen.
  • Einige Zeichnungen im Buch laden zum Erzählen zu einem Bild ein. Wählt ein Bild und schreibt dazu eine ganz neue Geschichte.
  • Wählt eine der beiden Buchstellen aus und gestaltet sie zu einer spannenden Erzählung aus. Bringt Gullivers Gedanken und seine Angst, die er im Moment der Begegnung hat, ein:
    • Buchstelle mit der riesigen Katze: Die Katze, die auf den Tisch gesprungen war, blickte mich zunächst misstrauisch an. Dann aber wedelte sie mit dem Schwanz und begann zu schnurren. Sie mochte so viel wiegen wie drei Ochsen aus Yorkshire, und das Schnurren klang, als surrten in einer Strumpffabrik zwanzig Webstühle. (S. 82)
    • Buchstelle mit den beiden Hunden: Die Dogge war so groß wie zwei Elefanten übereinander, und der Windhund war noch um einen halben Elefanten größer. Doch auch die beiden Hunde wedelten mit den Schweifen. Sie mochten denken: Das Kerlchen ist so winzig, dass es uns nicht viel wegfressen wird! (S. 82f)

Einige Sätze spiegeln Kästners Haltung wider und laden zu Gesprächen ein:

  • Zur Einschätzung der Riesen von kleinen Menschen wie Gulliver: Sie meinten, wir seien für Recht und Ordnung und Wissenschaft viel zu klein. Ich behauptete, dass derartige Leistungen nicht von der Körpergröße abhingen und der Verstand nicht von der Hutnummmer. Mein wichtigstes Argumente war der Hinweis auf Liliput und Belfuscu, wo man ja noch viel, viel kleiner sei als in Europa und trotzdem Paläste baue, Gesetze erlasse und sich die Haare kämme. Liliputaner, Menschen und Riesen, sagte ich, seien die gleichen Geschöpfe. Ich könnte es beschwören. Sie seien nur verschieden lang und breit. Dieser Unterschied verleite zu Fehlschlüssen und Vorurteilen, die man sich aus dem Kopfe schlagen müsse. Selbst bei mir daheim seien die längsten Leute noch lange nicht die gescheitesten. (S. 94)
  • Als Gulliver aus dem Land der Riesen wieder nach Hause zurückkommt, kommt ihm alles sehr klein vor. Folgendes Gespräch findet beim Essen statt: Später, beim Mittagessen, (…) sagte John, unser Junge, zu Betty, unserer Tochter: „Wer bei den Zwergen war, hält die Menschen für Riesen.“ Und Betty fuhr fort: „Ja, und wer bei den Riesen war, hält die Menschen für Zwerge.“ Mary lächelte stolz über den Verstand unserer Sprösslinge, fuhr mir übers Haar und sagte: „Ich werde dich bald wieder daran gewöhnen, dass du so klein bist wie ich und dass ich so groß bin wie du.“ (S. 106)
  • Das Buch endet mit folgenden Worten, die auch mit Kästners Biographie zusammen betrachtet werden können: Ein griechischer Philosoph hat gesagt: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ (…) Ich teile seine Meinung. Wer jahrelang als Riese inmitten von Zwergen und als Zwerg unter Riesen gehaust hat, der weiß zu schätzen, endlich wieder Mensch unter Menschen zu sein. Sie sind sein Maß, und hier ist sein Platz. Das, liebe Leser, wollte ich euch sagen. Und jetzt gehe ich essen. (S. 106/107) 

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 1 bis 6

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783855356546

Umfang

112 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book