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Markus Ostermair: Der Sandler

Besprechung

Ein Unfall wirft einen Mathematiklehrer und Familienvater aus der Bahn und in die Obdachlosigkeit. Er heißt eigentlich Karl Maurer, aber unter Münchner Obdachlosen kennt man ihn als den Narben-Paul und schätzt seine Fähigkeit, aus dem Schmerz seiner Narbe eine Wettervorhersage abzuleiten.

Markus Ostermair hat das Leben auf der Straße sehr genau beobachtet. Er beschreibt die oft drastischen Details, die Gewalt und die mangelnde Solidarität der verzweifelten Menschen der Straße aus ihrer Sicht ohne in Sozialromantik zu verfallen. Verschiedene Typen mit unterschiedlichen Hintergründen, meist Männer, aber auch zwei Frauen, begegnen der zentralen Figur des Karl und erhalten ihren Platz in eigenen Kapiteln. Es bleibt der/dem Leser/-in überlassen, Mitgefühl oder auch Wut zu empfinden, vor allem wenn es um die Strategien geht, mit denen die gutbürgerliche Großstadt sich der unangenehm riechenden Menschen der Straße erwehrt. Natürlich gibt es auch Unterstützung, oft allerdings um den Preis bürokratischer Hürden. In Rückblicken erfährt man, dass Karl so lebt, seit er bei einem nicht verschuldeten Unfall ein Kind getötet und das Trauma in zunehmenden Mengen Alkohol ertränkt hat. Dass Lenz, der einzige Kumpel, mit dem er Gedanken austauschen kann, sich auf grausame Art umbringt, aber zuvor dafür sorgt, dass Karl den Schlüssel zu seiner Wohnung bekommt, zwar Tiefparterre, aber im feinen Bogenhausen, einschließlich eines Bankkontos, von dem auf Jahre hinaus die Nebenkosten abgebucht werden können, erscheint wie ein Weihnachtsmärchen mitten im heißen Münchner Sommer. Vor allem wird so augenfällig, was einen Menschen ausmacht: eine Tür hinter sich zumachen, sich säubern und sich vor Wetter und Gewalt schützen zu können. Bevor die Geschichte in Kitsch ausarten kann, endet sie mit einer Szene, in der Karl von einem Treffen mit seiner heranwachsenden Tochter träumt.

Didaktische Hinweise

Dass Karl ein Lehrer ist, dient durchaus als Anknüpfungspunkt. Wie schnell jemand aus dem sozialen Rahmen der Bürgerlichkeit fallen kann und wie die Gesellschaft Menschen an ihren Rand verdrängt, wird vor Augen geführt. Die Bedeutung des Wohnraums für die Menschenwürde wird erfahrbar. Die Schauplätze in München sind zu erkennen, der Roman könnte aber in jeder anderen Großstadt spielen. Zur Ergänzung heranziehen kann man die Zeichnungen und Zeugnisse von Sabine Roidl: Ohne Dach, ohne Ofen, ohne Bett (2020), Richard Brox: Kein Dach über dem Leben (2017) oder Delphine de Vigans „No et moi (2009), deutsch 2010 als „No und ich“, erhältlich auch in einer Reclamausgabe mit Anmerkungen auf deutsch. Und natürlich: Günter Walraff: Unter Null, Reportage im Zeit Magazin 11/2009 und als Video.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783955102296

Umfang

371 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book