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Kirsten Boie: Dunkelnacht

Besprechung

„Die Angst kann nicht alles, die Angst bleibt nicht immer der Sieger.“ Diese Aussage über den jungen Protagonisten Schorsch am Ende der novellenhaft verfassten Geschichte über ein wahres Ereignis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Penzberg drückt aus, was trotz allem möglich ist während der „Dunkelnacht“: In dieser Nacht hat in der bayerischen Kleinstadt ein Mob aus Soldaten, der Organisation Werwolf sowie Bewohnern aus Penzberg zwei Tage vor Ankunft der amerikanischen Armee 16 Bürgerinnen und Bürger der Stadt umgebracht. Die Getöteten wollten eine geordnete und friedliche Übergabe der Stadt an die Amerikaner vorbereiten, wurde aber von oben genanntem Mob als Verräter bezeichnet und standrechtlich verurteilt und sogleich umgebracht. Parallel zu diesen geschichtlichen Begebenheiten spiegelt die Autorin diese Nacht in den Augen von drei Jugendlichen aus dieser Stadt, die nach dem schrecklichen Krieg einerseits den Frieden herbeisehnen wie Schorsch und Marie, oder andererseits wie Gustl bis zum Letzten für den Führer kämpfen wollen und sich daher der Organisation „Werwolf“ angeschlossen hat. Schorsch und Marie geraten in den schrecklichen Strudel jener Nacht und merken, wie ihre junge Liebe vor dem Hintergrund der sich dramatisch entwickelnden Ereignisse einer großen Bewährungsprobe ausgesetzt ist. Schorsch als Sohn des örtlichen Polizeimeisters soll seinem Vater beim Vernichten von Akten helfen, damit sie nicht in die in die Hände der Amerikaner geraten. Marie als Tochter des Metzgermeister, der mit seinen sozialdemokratisch gewogenen Freunden die Übergabe der Stadt für die Amerikaner vorbereitet, ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Zuneigung zu Schorsch und der Unterstützung ihrer Eltern. Beiden gelingt es jedoch, Zeit für sich zu finden und dabei werden sie Zeugen von entsetzlichen Geschehnissen, die ihre junge Liebe fast erdrückt. Gustl hingegen sieht seine Chance gekommen, es endlich jedem in der Stadt zu zeigen, wie heldenhaft er ist. Die Ereignisse überstürzen sich und jeder der drei Jugendlichen erhält seine Chance, im Angesicht des Unmenschlichen sich zu behaupten und sich den unsagbaren Taten zu stellen: Für Schorsch eine Bewährungsprobe, für Gustl eine Niederlage, für Marie bleibt die zufällige Rettung. 

Didaktische Hinweise

Kisten Boie schafft es auf eindringliche Weise, die Taten dieser Nacht vor das geistige Auge des Lesers zu holen. In tagebuchartiger Form werden die Abläufe dieser zwei letzten Tage vor der Befreiung durch die Amerikaner präsentiert, zusätzlich verdichtet durch die novellenhafte Form: Als Leser/in wird man atemlos angetrieben, vor allem durch die wie ein Stakkato präsentieren Sätze und Dialoge, die die Unglaublichkeit der wahren Geschichte beklemmend transportieren. Der fiktive Handlungsstrang um die drei Jugendlichen erlaubt es den Leserinnen und Lesern, diese Taten gespiegelt zu erleben und sie frei von einem erhobenen Zeigefinger selber einordnen zu können. In einem Glossar werden wichtige Begriffe erläutert und in ihrem Nachwort stellt die Autorin dar, wie intensiv sie ihre Recherche betrieben hat und was sie bewogen hat, dieses Thema aufzugreifen.

Für die Lektüre in dieser Altersklasse eine gewinnbringende Chance, über diesen relativ unbekannten Abschnitt der deutschen Geschichte etwas zu erfahren. Bei der Besprechung im Unterricht kann die Lehrkraft ausgehend vom Cover der Oetinger-Ausgabe die Ausgangslage der Geschichte mit den Schülerinnen und Schülern im Unterrichtsgespräch erarbeiten. Im Folgenden können anhand einer gruppenteiligen Arbeitsphase verschiedene Aspekte des Krieges – auch über die im Buch beschriebene Begebenheit hinaus – von den Schülerinnen und Schüler erarbeitet und vorgestellt werden. Am Ende der Einheit wäre es denkbar, die Geschichte der Jugendlichen weiterzuerzählen bzw. weiterzuschreiben. Diskussionen nach bzw. während der Lektüre können auch gesellschaftliche Themen wie die heutige Situation von Andersdenkenden, Flüchtlingen oder auch Menschen anderen Glaubens aufgreifen. Der überschaubare Umfang des Buches ermöglicht eine vielfältige Fortführung und Vertiefung der Thematik, vor allem vor dem Hintergrund der Frage, die sich die Autorin gestellt hat: „Wozu, im Guten wie im Schlechten, sind ganz und gar durchschnittliche Menschen fähig?“ Dieses Buch eignet sich daher sehr gut als Klassenlektüre.

Der Oetinger-Verlag stellt hierzu kostenfreies Unterrichtsmaterial bereit.

Das Buch ist Preistäger des Deutschen Jugendliteraturpreises 2022 in der Kategorie „Jugendbuch”.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 10

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783751200530

Umfang

128 Seiten

Medien

  • Buch