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Uwe Timm: Morenga

Besprechung

Bei dem 2020 anlässlich des 80. Geburtstags neu aufgelegten und mit einem Nachwort von Jürgen Habeck versehenen postkolonialen Roman „Morenga“ von Uwe Timm handelt es sich um einen brandaktuellen Roman. Im Mittelpunkt der sehr komplex angelegten Handlung, die aus einer Montage aus historischen Originaldokumenten, Briefen und fiktiven Aufzeichnungen besteht, steht die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Dabei finden v. a. zwei Stimmen Gehör: die des fiktiven Oberveterinärs Johannes Gottschalk, den die persönliche Sehnsucht nach Neuem im Herbst 1904, kurz nachdem der Herero-Aufstand gegen die deutschen Kolonisatoren niedergeschlagen worden war, nach Afrika treibt und die des Jacobus Morenga, dem „schwarzen Napoleon“, dem wichtigsten Anführer im Aufstand der Herero und Nama gegen die deutschen Besatzer. Gottschalk, der sich nach seiner Ankunft in Deutsch-Südwestafrika freiwillig den kaiserlichen Schutztruppen anschließt, erlebt dort neben dem Rassismus der weißen Solaten auch deren Alkohol- und Gewaltexzesse, die die Einheimischen zur Bestrafung mit Nilpferdpeitschen schlagen und er muss schnell feststellen, dass es nicht darum geht, ein paar Rebellen kleinzuhalten, sondern um einen von General Lothar von Trotta groß angelegten Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama, der als der erste generalstabmäßig geplante Genozid der Neuzeit gilt und in dessen Zuge auch Morenga in einem Gefecht zu Tode kommt. Gottschalk, der selbst mit der festen Überzeugung, dass es Rassenunterschiede gibt, in Afrika gelandet war, kommen aber während seines Aufenthalts zunehmend moralische Skrupel. Er entfremdet sich immer mehr von den deutschen Truppen und erkennt die Anliegen der Nama und Herero. Er lernt ihre komplizierte Sprache mit den Knacklauten, vertieft sich in die Genealogie ihrer Rinderherden und verliebt sich schließlich in eine Nama-Frau. Doch trotz Gottschalks heimlicher Sympathie mit den Anhängern Morengas und seinem zunehmenden Ekel gegenüber den Deutschen und ihrer Herrschaftsattitüde, schafft Gottschalk es nicht, Konsequenzen aus seiner Haltung zu ziehen, sondern bleibt bis zum Ende ein funktionales Rad im Getriebe der kolonialen Truppen, in dem er selbst zunehmend vereinsamt. 

Didaktische Hinweise

Uwe Timms Roman „Morenga“ eignet sich sehr gut in Auszügen für den Einsatz in der Oberstufe, da er ein Thema von bedrückender Aktualität behandelt: In Zeiten, in denen neu über „Rassismus“ und „Rasse“ nachgedacht wird und ein öffentlicher Diskurs über Deutschlands Rolle während der Kolonialzeit begonnen hat, sollte dieses Thema auch im Unterricht thematisiert werden. Uwe Timms Roman kann hier eine gute Diskussionsgrundlage bilden. Zentrale Themen können hierbei sein:

  • der historische Hintergrund (Deutschlands Rolle als Kolonialmacht)
  • die Perversion kolonialen Denkens (Menschenzoos, Genozid an den Nama und Hereros)
  • Rassismus damals/ heute
  • die Verwicklung der deutschen Wirtschaft in den Kolonien (Ausbeutung früher/ heute)
  • der Umgang mit deutscher Beutekunst in den Musen (vgl. hierzu auch Jugend Debattiert 2019: „Sollen unsere Museen Kulturgüter aus der Kolonialzeit an die Ursprungsländer zurückgeben?“)

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783423147613

Umfang

474 Seiten

Medien

  • Buch