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Michael Köhlmeier: Frankie

Besprechung

Ein Großvater und sein Enkel begeben sich auf eine rasante Fahrt ins Verderben

In Rezensionen wird der kurze Roman bereits mit Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ verglichen, wahrscheinlich weil die Ausgangssituation ähnlich gestaltet ist: Ein bereits mehr oder weniger mit Kriminalität in Berührung gekommener Mensch reißt einen anderen mit und unternimmt mit ihm eine Fahrt, die als Initiation in die Welt der Erwachsenen dient und auf der Gewissheiten hinterfragt werden. Aber damit enden bereits die Übereinstimmungen, denn anders als Tschick ist der Großvater der 14-jährigen Hauptfigur kein Jugendlicher, der etwas „anstellt“, sondern ein Schwerstkrimineller, der insgesamt 27 Jahre seines 71-jährigen Lebens hinter Gittern verbracht hat. Wofür der Mann im Gefängnis saß, erfährt man jedoch nicht. Nun wird er nach 18 Jahren entlassen und sein Enkel Frank, den der Großvater beharrlich Frankie nennt, obwohl Frank das überhaupt nicht mag, muss sich mit ihm arrangieren. Der Ich-Erzähler Frank ist gleichermaßen gefesselt und abgestoßen von diesem Mann, der sich selbst als „richtiges Arschloch“ bezeichnet und sich auch so verhält. Frank lebt mit seiner ängstlichen und vom Leben überforderten Mutter in einer Art WG, kocht, kümmert sich um sie und akzeptiert auch schweren Herzens ihren neuen Freund, auch wenn er fürchtet, dass ihr zurückgezogenes und einfaches Leben dadurch gestört wird. Franks Vater hat die Familie schon vor Jahren verlassen, lässt sich seither nicht mehr blicken und unterstützt sie auch nicht finanziell, weitere Verwandte gibt es nicht, weshalb Frank und seine Mutter außer sich niemanden haben. Weder die Mutter noch ihr Sohn verfügen über einen Freundeskreis, aber zumindest macht der Mutter ihre Arbeit als „Garderoberin“ (Schneiderin) an der Wiener Oper Freude und Frank wird in der Schule nicht gemobbt, soweit begreift er die Verhaltensmuster seiner Mitschüler/-innen. Franks Geschichte unterläuft die Erwartungen an einen Roman dieses Genres ständig und die/der Leser/in verfolgt fasziniert und teilweise zutiefst beunruhigt die unerwarteten Wendungen, welche die Handlung nimmt. Frank möchte ursprünglich nichts mit seinem Großvater zu tun haben, dennoch bleiben beide miteinander in Kontakt und eines Nachts schwadroniert der alte Mann davon, dass es bei einem Mord nicht um das Motiv gehe, das gebe es nämlich nicht, denn ein Mörder begehe einen Mord, weil er ein Mörder sei. Frank ist von dieser Überzeugung zunächst abgestoßen und glaubt, dass ein Mensch Verantwortung für seine Taten übernehmen müsse. Aber am Schluss des Romans erschießt Frank den alten Mann, stiehlt wie zuvor sein Großvater ein Auto und verschwindet im Wald. Franks Handlungen scheinen die Überzeugung seines Großvaters zu bestätigen und lassen die Leser/-innen verstört zurück.

Didaktische Hinweise

Anders als „Tschick“ kann man Michael Köhlmeiers Roman, wie die Handlung zeigt, nicht bereits ab der 8. Jahrgangsstufe lesen. Aber in der Oberstufe bieten der Mord und das offene Ende genügend Stoff für Diskussionen. Falls „Tschick“ in der Mittelstufe besprochen wurde, lässt sich ein sehr ergiebiger Vergleich zwischen den beiden Werken ziehen. Während „Tschick“ dem Konzept der Heldenreise folgt, führt Köhlmeier die/den Leser/-in ständig in die Irre, denn natürlich erwartet man, dass Großvater und Enkel auf der Reise, welche die beiden mit einem gestohlenen Auto beginnen, gemeinsam Schwierigkeiten meistern und sich auf diese Weise annähern, stattdessen endet die Fahrt bereits nach wenigen Stunden auf einer Raststätte, auf welcher der Großvater zunächst verschwindet und seinen Enkel sich selbst überlässt. Erörtert werden kann schließlich, inwieweit der Enkel die verquere Weltsicht seines Großvaters übernimmt und wie das Ende des Romans gedeutet werden kann.

Inzwischen ist „Frankie“ in zahlreichen Zeitungen und auch im Rundfunk rezensiert worden. Zu empfehlen ist vor allem Jörg Magenaus Besprechung auf der Website von rbbKultur; hilfreich ist hier das fünfminütige Gespräch mit dem Rezensenten, das man herunterladen und als Einstieg in die Unterrichtssequenz einsetzen kann. Es gibt bereits ein Hörbuch, in dem der Autor selbst den Roman komplett eingelesen hat. Schön ist auch das Video eines gemeinsamen Interviews mit dem Ehepaar Monika Helfer und Michael Köhlmeier, da man hier Interessantes über die Arbeitsweise eines Schriftstellers bzw. einer Schriftstellerin erfährt und über das Entstehen eines Buches. 

 

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Soziales Lernen
  • Sprachliche Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2023

ISBN

9783446276185

Umfang

208 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch