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Michael Köhlmeier: Matou

Besprechung

Eine furiose, phantastische Reise mit einem Kater durch 230 Jahre Kultur- und Literaturgeschichte

Niedlich sieht er aus, der Kater: kupferrotes Fell, weiße Schwanzspitze und weiße Tupfen an den Pfoten. Aber Matou (franz. Kater) ist alles andere als niedlich. Grausam wie Katzen sein können, spielt er mit Mäusen und Menschen und mit seinen Artgenossen. Dazu hat er reichlich Gelegenheit, denn er hat wie alle Katzen in Europa sieben Leben, die er weidlich nutzt, um die Menschen zu verstehen und um sich zu bilden. Dabei wird er jedoch nicht zum Menschen, das möchte er sich verbeten haben, obwohl er in seinem ersten Leben von Camille Desmoulins sprechen und in seinem zweiten von E.T.A. Hoffmann lesen und schreiben lernt.

Matou beobachtet die Menschen, er kommentiert ihr Verhalten, hilft ihnen manchmal, manipuliert sie und schreibt in seinem siebten Leben, welches als Rahmenhandlung fungiert, seine Memoiren. In Matous Autobiographie führt Michael Köhlmeier durch 230 Jahre Kultur- und Literaturgeschichte, beschäftigt sich mit dem Zauber der Musik, mit der Trennlinie zwischen Tier und Mensch, mit der Funktionsweise von Diktaturen, mit dem „Charisma“ von Tyrannen und anderen Verführern und brennt dabei ein Feuerwerk an Gelehrsamkeit und Belesenheit ab, dass dem Leser immer wieder einmal schwindelig wird vor Bewunderung. Vor allem die zahlreichen Listen mit literarischen und wissenschaftlichen Werken, die Matou gelesen hat, zeitigen allergrößten Respekt.

Als Mensch, der nur mit einem Leben auskommen muss, blickt man ein wenig neidisch auf die sieben Leben, über die Matou verfügt, zumal er sich als Katze den Schauplatz des nächsten Lebens samt Besitzer oder Besitzerin aussuchen kann; wobei die Frage, wer da wen „besitzt“ nicht zu beantworten ist, wie alle „Katzenbesitzer“ aus eigener Anschauung wissen. Am Ende eines Lebens landet Matou im „Weggemachten“, wie er es nennt, und dort gibt es einen Katzenkatalog, der aussieht wie ein riesengroßes Tablet, aus dem er sich, mit einer Pfote hin und her wischend, sein nächstes Leben auswählt. Ein überaus zauberhafte Vorstellung!

Nicht alle von Matous „Besitzern“ sind so illuster wir Camille Desmoulins, E.T.A. Hoffmann oder Andy Warhol, das fünfte Dasein führt Matou nach Prag in die Zeit zwischen 1912 und 1918, wo er als Katze der jungen, psychisch kranken Malerin Paulina Bartok lebt und den Affen Rotpeter aus Kafkas „Bericht für eine Akademie“ trifft, der am Krieg der Menschen verzweifelt und sich umbringt. Hier lernt Matou einiges über das Wilde im Menschen, das Paulina so sehr anzieht, dass sie wie eine Katze jagen und töten will, während Matou sie von den Vorzügen der Zivilisation vergeblich zu überzeugen versucht.

Aber nicht nur die Welt der Menschen erkundet Matou, sondern auch die seiner Artgenossen. Wegen seiner Liebe zu Fragnichtchen, einer Katzendame, die er im „Weggemachten“ kennen lernt, führt ihn sein drittes Leben auf der Katzeninsel Hydra, auf der er zum Tyrannen aufsteigt und ein Terrorregime über die Katzen der Insel errichtet, die seine Herrschaft anerkennen, solange er für Futter sorgt. Eine sehr beeindruckende Parabel auf die Entstehung von Diktaturen. Das merkwürdigste von Matous Leben ist sein viertes, in dem er als Leopard mit einem verstümmelten Mädchen rächend und mordend durch den von König Leopold II. ausgebeuteten Kongo zieht.

Das siebte Leben verbringt Matou bei Dame Ingeborg und ihrem antriebsschwachen Neffen Daniel, bei denen sich Matou Erholung von den Aufregungen der vergangenen Leben und Ruhe für das Schreiben seiner Autobiographie erhofft. Daraus wird aber nichts, denn zum einen langweilt sich Matou ab und an und zum anderen muss er Daniel sowohl bei seinen Liebesabenteuern als auch bei seinem Studium beispringen.

Didaktische Hinweise

Jedes der sieben Leben Matous hält Stoff und Anregungen für zahlreiche historische, kulturwissenschaftliche, literarische und ethische Fragestellungen bereit. Auch wenn man im Unterricht die fast tausend Seiten des Werks womöglich nicht vollständig lesen und besprechen kann, so lassen sich die einzelnen Kapitel im Geschichts- und Literaturunterricht gewinnbringend einsetzen.

Auch für Ethikstunden finden sich Passagen wie diejenigen über die Trennlinie zwischen Tier und Mensch, die man mit den Schülerinnen und Schülern durchnehmen kann.

Als Einstimmung auf den grandiosen Roman lässt sich die Audiodatei eines Interview mit Michael Köhlmeier über „Matou“ im Südwestdeutschen Rundfunk einsetzen, die vielleicht dazu anregt, den Roman vollständig zu lesen. Der Hanser Verlag bietet auf seiner Website eine Inhaltsangabe, Leseproben und ein kurzes Interview mit dem Autor. Ferner gibt es bereits ein Hörbuch, das Michael Köhler selbst eingelesen hat.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geschichte
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Philosophie

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Sprachliche Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783446270794

Umfang

960 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch