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Alois Prinz: Dietrich Bonhoeffer

Besprechung

Sei frei und handle!

Im Jahr 2020 jährt sich die Ermordung von Dietrich Bonhoeffer und seiner Mitstreiter durch die Nationalsozialisten zum 75. Mal. Der großartige Verfasser von Biographien, Alois Prinz, stellt in einem Prolog zunächst den tiefen inneren Zwiespalt des evangelischen Theologen vor: Im Juni 1939 konnte er aus Hitler-Deutschland fliehen und in New York am Union Theological Seminary arbeiten. Gleichzeitig war er sich bewusst, dass er seine Freunde im Kampf gegen den Unrechtsstaat zurückgelassen hatte. Nicht einmal einen Monat später bestieg er nach Tagen massiven inneren Zweifelns mit einer klaren und entschiedenen Haltung das Schiff zurück nach Deutschland. An dieser Entscheidung eröffnet sich für den Leser die Frage: Wer ist dieser Bonhoeffer und wie ist er zur Überzeugung gekommen, aktiven Widerstand gegen das NS-Regime leisten zu müssen?

Prinz stellt Dietrich als Sohn des erfolgreichen Psychiaters Karl Bonhoeffer vor, der seine acht Kinder in bürgerlicher Bescheidenheit, Disziplin, Ehrlichkeit und der Beherrschung des Affektiven in allen Bereichen lehrt. Durch die Mutter erhalten die Kinder Zugang zur pietistischen Glaubenswelt, in der ein frommer und gefühlsbetonter, christlicher Glaube gelebt wurde. Vor allem der Tod des Bruders, der im I. Weltkrieg fiel, und die geheim gehaltene Trauer der Mutter führten ihn zum Entschluss, Philosophie und Theologie zu studieren; die evangelische Kirche schien auf ihn wenig Anziehungskraft auszuüben.

Prinz vermag es, die sich entwickelnde Theologie Bonhoeffers mit verständlichen Worten darzustellen: Als fleißiger Student machte er die Erfahrung, dass das Studium nicht automatisch zu einer Vertiefung des persönlichen Glaubens führte. Vor allem die dialektische Theologie von Karl Barth beeindruckte ihn nachhaltig und führte zu einer Loslösung vom bildungsbürgerlichen Christentum. Vielmehr folgte er der Überzeugung, dass man Gott nicht mit Vernunft und Wissenschaft in den Griff kriegen kann; nur er selbst kann den Weg zu den Menschen nehmen. Durch seine zahlreichen Auslandstätigkeiten während und nach dem Studium bekam der zunächst unpolitische Bonhoeffer Eindrücke vom so genannten praktischen Christentum. Zurück in Deutschland forderte er seine Studenten dazu auf, sich vom Wort Gottes treffen zu lassen, um daraus konkrete Antworten für die Lebenspraxis zu erhalten. Die Bibel als Richtschnur in Bonhoeffers Leben führte ihn dazu, von der evangelischen Kirche eine klare Haltung zur aktuellen politischen Lage zu fordern. Er selbst betätigte sich in sozialen Initiativen in den Proletariervierteln Berlins. In Vorträgen warnte er vor einer „Deutschen Kirche“ und einem „deutschen Gott“ und rief dazu auf, notfalls dem „Rad in die Speichen zu fallen“, also sich aktiv im Widerstand einzusetzen. Bonhoeffer wurde durch diese Haltung, durch die Gründung des Pfarrernotbundes und der Bekennenden Kirche zum Außenseiter. Konsequent kehrte er aus New York, wohin er 1939 noch fliehen konnte, nach Deutschland zurück und wurde Mitwisser der militärischen Verschwörer gegen Hitler. Ab 1940 war er als Agent des militärischen Geheimdienstes und als Pfarrer der Bekennenden Kirche tätig. Der Festnahme am 5. April 1943 folgte die grausame Hinrichtung am 9. April 1945.

Didaktische Hinweise

Prinz versteht es wie kein Zweiter, die Denkweise von wichtigen Persönlichkeiten verständlich darzustellen; das hat er schon zuhauf bewiesen. Gerade am Beispiel Bonhoeffers zeigt sich dem Leser, was der christliche Glaube mit dem konkreten Leben zu tun hat. Die Frage, ob man als Christ an einem Attentat mitwirken darf, wohlwissend, damit gegen das 5. Gebot zu verstoßen, beantwortet er. Die Ablehnung von Totalitarismus, Rassenwahn und Menschenverachtung und der Einsatz für die Menschenwürde waren für ihn Gradmesser, ob die Kirche noch Kirche ist. Insofern ist die Beschäftigung mit dieser Vita im Rahmen eines Referats oder einer Projektarbeit im Ethik-, Religions- oder Geschichtsunterricht von allergrößtem Wert. Dieses Buch bietet in 17 Kapiteln die Grundlage für diese Begegnung mit dem „evangelischen Heiligen“.

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Biografien, Autobiografien, Porträts
  • Politik, Gesellschaft
  • Philosophie, Religion, Menschsein

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 13

Fächer

  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geschichte
  • Philosophie

FÜZ

  • Werteerziehung
  • Politische Bildung
  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783458364719

Umfang

270 Seiten

Medien

  • Buch