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Juli Zeh: Über Menschen

Besprechung

Bei Juli Zehs Roman „Über Menschen“ handelt es sich um einen Corona-Roman. Im Mittelpunkt des Romans steht Dora, die von Berlin, wo sie in einer Werbeagentur gearbeitet hat, nach Bracken, einem Dorf in Brandenburg zieht. Seit dem Ausbruch von Corona hat Dora zusammen mit ihrem Freund Robert im Homeoffice gearbeitet, doch das enge Beisammensein hat tiefe Gräben in der Beziehung offengelegt. Robert, der als Journalist arbeitet, setzt Dora mit seiner verbissenen Social-Correctness nicht nur in Umweltfragen, sondern nun auch mit seiner überkorrekten und Einhaltung aller Corona-Regeln unter Druck und verlangt von Dora, dass auch sie diese Haltung voll und ganz teilt. Dora, die durchaus Verständnis für die Lockdownmaßnahmen hat, will sich aber zu Robert Unmut, dessen moralisierendes Verhalten nicht zum Lebensziel machen. So ist ihre Flucht aufs Land und aus der Beziehung dann nur die logische Konsequenz, um von Robert und seinem Gutmenschsein wegzukommen. Dora zieht in das fiktive Örtchen Bracken in Brandenburg, wo sie sich von ihrem Ersparten – kurz nachdem sie auf dem Land angekommen ist, verliert sie coronabedingt ihren Job – ein altes, sanierungsbedürftiges Gutsverwalterhaus kauft. Schon bald lernt Dora in der Landidylle ihren neuen Nachbarn Gote kennen, der sich mit: „Angenehm, ich bin hier der Dorfnazi“ vorstellt. Gote scheint seinem Namen alle Ehre zu machen. Gemeinsam mit seinen Nazifreunden sitzt er vor seinem Bauwagen im Nachbargarten und singt lauthals das Horst-Wessel-Lied. Er macht auch keinen großen Hehl daraus, dass er gerne mal „Linke klatscht“. Nichtsdestotrotz entpuppt sich Gote im Laufe des Romans als hilfsbereiter Nachbar und durchaus liebevoller Vater seiner kleinen Tochter Franzi, die die Ferien bei ihm verbringt. Unaufgefordert zimmert Gote für Dora ein Bett und stellt ihr Stühle in den Garten, sodass Doras selbstgerechte Gewissheit gegenüber Rechtsradikalen, der sie geradezu routinemäßig trotzt, durch Gotes aufrichtige Nachbarschaftshilfe ins Wanken gerät – so wie in Braken überhaupt alles ins Wanken gerät. Dazu trägt auch das schwule Paar bei, das weiter unten in der Straße wohnt, der eine AFD-Wähler, der andere linker Kabarettist, oder die alleinerziehende Mutter Sadie, die nachts arbeitet und tagsüber auf die Kinder aufpasst und die sich an Doras Küchentisch ausheult. 

Auch wenn an keiner Stelle des Romans Gotes Gewaltbereitschaft verschwiegen wird und Dora seine politische Einstellung konsequent ablehnt, empfindet man als Leser/Leserin am Ende des Romans (wenn auch widerwillig) doch auch Mitleid mit Gote, der im Verlauf des Romans zunehmend von einem bösartigen Gehirntumor außer Gefecht gesetzt wird. Was genau mit Gote los ist, erfährt Dora schließlich von ihrem Vater, einem berühmten Hirn-Chirurgen an der Charité, der auf Doras Hilferuf hin nach Bracken fährt und Gote untersucht. Durch Gotes Diagnose wird Dora unverhofft zu Gotes Fürsorgerin.

Didaktische Hinweise

Juli Zehs Roman „Über Menschen“ sollte natürlich in keiner Schülerlesebibliothek fehlen. Dadurch, dass der Roman konsequent aus der Sicht Doras geschrieben ist, ist er gerade für jüngere Leser und Leserinnen einfacher als Juli Zehs 2017 erschienener Roman „Unter Leuten“, an den „Über Menschen“ anknüpft. Gerade im schulischen Kontext kann die Auseinandersetzung mit einem Charakter wie Gote sehr spannend und erhellend sein, da sich dessen Verhalten bzw. Persönlichkeit zusammen mit Schülerinnen und Schüler der Oberstufe oder eines Literaturkurses höchst kontrovers diskutieren lassen – auch, weil am Ende des Romans vieles zu gut auszugehen scheint. (Juli Zeh hat sich selbst zu dem Ende des Romans geäußert, vgl. Beitrag beim SWR). Neben den Themen wie Rechtsradikalismus und aggressivem Fremdenhass hinterfragt Juli Zeh in „Über Menschen“ auch pauschale Vorurteile und Klischees. Das gilt nicht nur für Gote und seine Freunde, sondern auch für den Dogmatismus von Robert. 

Gattung

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783630876672

Umfang

416 Seiten

Medien

  • Buch
  • Hörbuch
  • E-Book