Jens Raschke: Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute
Besprechung
Jens Raschkes Theaterstück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute" ist ein Werk, das sich auf ungewöhnliche Weise mit dem Holocaust auseinandersetzt. Die Handlung spielt in einem Zoo, der sich im Konzentrationslager Buchenwald befindet. Die Tiere des Zoos sind die Protagonisten der Geschichte und beobachten, was sich auf beiden Seiten des „summenden, brummenden Zaun[s]“ (S. 12, Z.29) zwischen den „Gestreifeten“ und den „Gestiefelten“ ereignet. Durch ihre Perspektive wird das Grauen des Holocausts auf eine distanzierte, aber tief berührende Weise dargestellt. Die Tiere nehmen durch ihre Aussagen und vor allem durch ihre Verhaltensweisen zum Beobachteten unterschiedliche Positionen ein.
Raschke gelingt es durch diese Distanz, das schwere Thema in einer für Jugendliche zugänglichen Form zu behandeln, ohne die Ernsthaftigkeit und Tragik zu verlieren. Die Tiere – darunter ein melancholischer Bär und ein zynischer Pavian – stehen sinnbildlich für die Ohnmacht oder Gleichgültigkeit derjenigen, die Zuschauer der Gräueltaten waren. Sie werfen Fragen auf, die auch heute noch relevant sind: Wie konnte das geschehen? Warum hat niemand eingegriffen? Wie gehe ich mit der Verantwortung um, wenn ich eine derartige Situation beobachte? Und was bedeutet es, wegzuschauen?
Die Sprache des Stücks ist klar und gut verständlich, die Dialoge sind tiefgründig und laden zur Reflexion ein. Das Stück ist nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch ein Aufruf, Verantwortung zu übernehmen und sich gegen Unrecht zu stellen. Es ist ein Werk, das lange nachhallt und besonders für den Einsatz im schulischen Kontext geeignet ist.
„Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute" ist ein Theaterstück, das auf eindrucksvolle Weise den Holocaust thematisiert, ohne dabei belehrend zu wirken. Es regt zum Nachdenken und Diskutieren an und ist ein wertvoller Beitrag für die Erinnerungskultur. Besonders für Jugendliche bietet das Stück eine Möglichkeit, sich auf eine neue Weise mit der Geschichte auseinanderzusetzen.
Didaktische Hinweise
Das Buch bietet viele Ansatzpunkte für fächerübergreifende Arbeit (Deutsch, Geschichte, Kunst, Religion und Ethik) in der 9. bis 13. Klasse. Im Folgenden werden einige mögliche Gesichtspunkte vorgestellt, die man bei Beschäftigung mit der Lektüre thematisieren kann.
1.Vor dem Lesen:
- Buchumschlag vorne: Erwartungen an den Titel erarbeiten, möglicherweise erstes Mal Beschäftigung mit einem Theaterstück, Gattung Dramatik besprechen, Vergleich mit klassischem Drama möglich. Untersuchung der Personen im Figurenverzeichnis.
- Besprechen der beiden Poems.
- Vor dem Theaterstück finden sich einleitende Worte des Autors „Zum Hintergrund“, die den Schülerinnen und Schülern vorbereitende Informationen zum Zoo im Konzentrationslager Buchenwald und zu seinem Motiv, das vorliegende Theaterstück zu verfassen, liefern. Die „Frage: Bär oder Pavian?“ (S. 9. Z. 14) kann als Leitfrage durch die gesamte Werkanalyse gesehen werden.
2. Lesen: Das 76 Seiten umfassende Werk kann in Auszügen im Unterricht in verteilten Rollen gelesen werden. Die sich anschließenden Anmerkungen (ab Seite 77) geben den Schülerinnen und Schülern beim Lesen zusätzliche Informationen zu Orten, Personen und Begriffen, die im Stück vorkommen und können dadurch Verständnisschwierigkeiten beim Lesen vorbeugen oder ausräumen. Ab Seite 84 finden sich viele hilfreiche inhaltliche und didaktische Unterrichtsanregungen für Lehrkräfte.
3. Weitere Themenfelder, die im Unterricht besprochen werden können:
• Leitfrage: Bär oder Pavian?
• Analyse der Tiere und ihrer Symbolik (mögliche Leitfragen: Wie beschreibt das Tier die Situation? Welche Haltung nimmt es ein? Was könnte das Tier symbolisieren?)
• Analyse der neutralen Erzählerstimmen (Erster, Zweiter, Dritter und Vierter) und deren Funktion für das Werk.
• Analyse der Traumvisionen.
• Reflexion über die Bedeutung von Beobachtern und Mitläufern
• Verknüpfung von Literatur und Geschichte (Zusammenarbeit mit der Geschichtslehrkraft)
• Sensibilisierung für die Bedeutung von Erinnerung(skultur)
4. Kreative Ideen:
• Die Schülerinnen und Schüler schreiben einen inneren Monolog aus der Perspektive eines der Tiere oder aus der Perspektive eines vollkommen neuen Tiercharakters (mögliche Leitfragen: Was denkt das Tier über die Menschen? Was würde es tun, wenn es eingreifen möchte oder könnte?)
• Die Schülerinnen und Schüler wählen eine Szene aus dem Stück und spielen sie in kleinen Gruppen nach. Anschließende Analyse: Wie hat sich das Spielen der Szene angefühlt? Was hat die Szene über die Figuren und ihre Haltung vermittelt?
5. Weiterführende Ideen:
• Exkursion: Besuch einer Gedenkstätte oder eines Museums zum Holocaust.
• Filmvergleich: Analyse eines Films, der ähnliche Themen behandelt (z. B. „Schindlers Liste“ oder „Das Leben ist schön“).
• Theaterbesuch (Ersatz: im Internet finden sich schon einige Ausschnitte von Theateraufführungen)

Gattung
- Dramen
Eignung
sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum VorlesenAltersempfehlung
Jgst. 9 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (ev)
- Geschichte
- Interkulturelle Erziehung
- Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
FÜZ
- Interkulturelle Bildung
- Kulturelle Bildung
- Politische Bildung
- Soziales Lernen
- Sprachliche Bildung
- Werteerziehung
Erscheinungsjahr
2024ISBN
9783150144008Umfang
76 SeitenMedien
- Buch