mobile Navigation Icon

Valentina Grande, Eva Rossetti: Gertrude Stein und ihr Salon der Künste

Besprechung

Eine Graphic Novel über das ungewöhnliche Leben und Arbeiten der Gertrude Stein

In dieser sehr ansprechend gestalteten, von Ingrid Ickler aus dem Italienischen übersetzten Graphic Novel wird das Leben der jüdischen Schriftstellerin und Mäzenin nicht linear erzählt, denn Valentina Grande wollte sich, wie sie in ihrem Nachwort erläutert, an Gertrude Steins erzähltechnischem Vorgehen orientieren. Gertrude Stein vermied in ihren Werken die konventionelle chronologische Erzählweise und schlug wie James Joyce zur selben Zeit neue Wege des Erzählens ein. Die Darstellung von Steins Leben folgt deshalb anderen Kriterien. Ein fiktiver Erzähler schildert Gertrudes Wirken in Paris und ihren Salon, erzählt von ihrer Herkunft und ihrer Beziehung zu ihrer Geliebten Alice Toklas. Dabei wird der Inhalt in drei große Kapitel und einen Epilog unterteilt.

Der erste Teil mit dem Titel „Gegenstände. Die Fassaden der Rue Guqnemer“ beschäftigt sich mit Steins literarischem Salon und seinen Gästen, Steins Beziehung zu Alice Toklas und ihrer Freundschaft zu Ernest Hemingway, die schließlich zerbricht. Die letzte Doppelseite zeigt Hemingway im Jahr 1960, wie er über Gertrude Stein nachdenkt. Hier wird deutlich, dass Valentina Grande auch innerhalb der einzelnen Kapitel auf die Chronologie verzichtet und eher, wie Stein selbst, ein assoziatives Vorgehen bevorzugt.

Während der erste Teil überwiegend den Schriftstellern gewidmet ist, beschäftigt sich der zweite Teil unter der Überschrift „Futter. Die Quiche von Madame Matisse“ hauptsächlich mit den Malern der 20er Jahre, vor allem mit Henri Matisse und Pablo Picasso.

Die Überschrift des dritten Teils „Räume. Picassos Atelier“ ist bewusst irreführend und unterläuft damit wie Steins Bücher auch die Lesererwartung, denn Picassos Atelier taucht nicht auf, stattdessen suchen der fiktive Ich-Erzähler und Gertrude Stein gemeinsam Picasso, der aber immer schon verschwunden ist, wenn die beiden erscheinen. Darüber hinaus werden in diesem Abschnitt Steins Werke knapp vorgestellt sowie ihre Art des Schreibens. Natürlich darf auch Steins berühmter Satz „Rose is a rose is a rose“ nicht fehlen, der aus ihrem Gedicht „Sacred Emiliy“ aus dem Jahr 1913 stammt.

Aus nur zwei Doppelseiten besteht der Epilog, der Stein und Toklas am Strand zeigt und in dem Alice ihre Freundin Gertrude gewissermaßen in einem selbstreferentiellen Sinne fragt, was sie davon halte, dass ihr Leben von einem Mann erzählt werde, worauf Gertrude Stein antwortet, dass sie es verstehe, denn sie (die Männer) wollten so sein wie Gertrude, damit sie Gertrude Stein nicht bräuchten. Die zweite Seite des Epilogs zeigt Alice und Gertrude in derselben Haltung, aber dieses Mal fehlen die Farben und die beiden Figuren bestehen aus Wörtern und Buchstaben; womöglich wird hier Gertrude Steins Verfahren visualisiert, Literatur wie die Kubisten in Einzelteile zu zerlegen und damit eine neue Sicht auf die Welt zu ermöglichen.

Didaktische Hinweise

Diese Graphic Novel könnte sehr gut als Einstimmung in die Behandlung des Themen „Literatur der Jahrhundertwende“, „Literatur der 20er Jahre“ und Sprachphilosophie eingesetzt werden, wobei man zu Beginn den Trailer über diesen Bildband verwenden könnte, der auf 3sat oder auf der Website des Knesebeck Verlags aufgerufen werden kann. Vorteilhaft ist sicher, dass das Lesen dieser Graphic Novel recht abwechslungsreich und angenehm ist und die Jugendlichen auf eine leichtere und entspanntere Art und Weise in recht komplexe Fragestellungen einführt.

Anhand des Comics könnte zweierlei geleistet werden: Zunächst könnten Referate zu den in dem Bildband erwähnten Autoren und Malern vergeben werden, nämlich zu Ernest Hemingway, Ezra Pound, Henri Matisse, Pablo Picasso, Sherwood Anderson, Apollinaire und zu Gertrude Stein selbst. Das würde zu einem informativen und recht umfassenden Tableau dieser Zeit führen; schließlich ist im Lehrplan Deutsch für die neue Oberstufe auch der Bereich der Weltliteratur aufgeführt. Das zweite große Thema ist das der Sprachphilosophie; ausgehend von Gertrude Steins berühmten Satz „Rose is a rose is a rose“ kann man die Sprachkrise der Jahrhundertwende und spätere sprachphilosophische Ansätze erläutern.

Gattung

  • Comics, Comic-Romane, Graphic Novels

Sachbuchkategorie

  • Biografien, Autobiografien, Porträts

Eignung

als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Philosophie
  • Interkulturelle Erziehung

FÜZ

  • Familien- und Sexualerziehung
  • Interkulturelle Bildung
  • Kulturelle Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2023

ISBN

9783957287328

Umfang

128 Seiten

Medien

  • Buch