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Daniel Glattauer: In einem Zug

Besprechung

Der erste Satz verrät die Grundkonstellation dieses Romans: „Schräg gegenüber sitzt eine Frau mittleren Alters.” Der Ich-Erzähler ist ein Bahnreisender, der im Zug von Wien nach München unterwegs ist und seine Gedanken schweifen lässt. Jedes Buchkapitel ist einer Haltestation gewidmet. Die Leserinnen und Leser erfahren immer mehr über diesen Reisenden, der sich als Schriftsteller Eduard Brünhofer zu erkennen gibt. Er ist von der Dame irritiert, die ihm in der Vierer-Sitzgruppe schräg gegenübersitzt und denkt über verschiedene Optionen nach, wie sich die gemeinsame Zugfahrt entwickeln könnte. Dabei zeigt sich, dass Brünhofer gerne aus einer Position der eitlen Überlegenheit heraus ein unverbindliches Gespräch mit der Dame anfangen würde, in dem sie ihm als ehemals erfolgreichen Autor von Liebensromanen schmeichelt. Tatsächlich beginnt auch eine Konversation, die allerdings ganz anders verläuft, als er es sich vorgestellt hat: Die Mitreisende stellt sich als Psycho- und Physiotherapeutin heraus, die ihn zwar zu seinen literarischen Tätigkeiten befragt, aber noch nie ein Buch von ihm gelesen hat. Es zeigt sich, dass Catrin vor allem am Thema „Liebe” interessiert ist. Da Brünhofer mit Liebesromanen bekannt wurde, verwickelt sie ihn in ein Gespräch zum Beispiel darüber, wie intensiv und sich selbst genügend eine Beziehung sein kann. Im Laufe der Unterhaltung werden sie immer vertrauter miteinander und tauschen ihre Ansichten über unterschiedliche Lebensformen aus. Sie gehen zum „du” über und geraten in ein Streitgespräch über das Leben mit Kindern in einer festen Beziehung (Eduard) versus das Leben in offenen Beziehungen (Catrin). Durch Catrins Gesprächsführung, die Eduard stark an ein Psychotherapiegespräch erinnert, fühlt er sich immer mehr in Frage gestellt und muss nicht selten Rechenschaft ablegen. Catrin erfährt, dass Brünhofer auf dem Weg nach München zu seinem Verlag ist, um sein neues Essayprojekt „In einem Zug” vorzustellen. Er gibt zu, dass ihm seit Langem die Ideen und die Lust für ein neues Buch fehlen. Seit zehn Jahren warten das Publikum und die Verlegerin auf einen neuen Brünhofer-Roman. In München erwartet ihn ein unangenehmes Gespräch mit der Verlagsleitung, da er die letzte Abgabefrist für einen versprochenen Roman nicht eingehalten, den Vorschuss dafür aber schon ausgegeben hat. An der Haltestelle München-Ostbahnhof macht Catrin ein überraschendes Geständnis: Sie wusste von Anfang an, wer ihr gegenübersitzt. Sie wurde sogar vom Verlag auf ihn angesetzt, um ihn dazu zu bewegen, den neuen Roman endlich anzugehen. Catrin ist in Wirklichkeit keine Therapeutin, sondern eine Podcasterin, die das vierstündige Gespräch mit Brünhofer auch noch aufgezeichnet hat, um daraus einen Podcast-Special über die Liebe zu veröffentlichen. Gleichzeitig kann er aus dem Zug-Material seinen neuen Roman anfertigen mit dem Titel „In einem Zug”.

Didaktische Hinweise

Dieser kurzweilige, manchmal skurille und satirische Roman eignet sich hervorragend, um zum Thema Kommunikationstheorie zu arbeiten. Mit dem bekannten 4-Ohren-Modell (Sachinformation, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis, Appell) von Friedemann Schulz von Thun lässt sich erarbeiten, auf welchem Kanal eine Botschaft von Catrin gesendet und von Eduard empfangen wurde bzw. warum die Kommunikation zwischen den beiden manchmal zu Missverständnissen führt. Genauso lässt sich herausarbeiten, wer das Gespräch dominiert und aus welchen Gründen. Wer steuert wie das Gespräch (Nähe und Distanz im öffentlichen Raum)? Diese Arbeiten können zur Vorbereitung auf eine Gesprächsanalyse, wie sie z.B. bei der Dramenerschließung gefordert wird, verwendet werden.

Glattauers Konstruktion des Romans aufzulösen, ist ebenfalls eine gewinnbringende Arbeit im Unterricht. Es handelt sich um das literarische Stilmittel der eingebetteten Erzählung: Der Autor Brünhofer arbeitet während der Zugfahrt an einem Essayprojekt mit dem Arbeitstitel „In einem Zug”, in dem er satirische Gedanken zu den Etappen seiner Reise notiert. Gleichzeitig wird diese gesamte Zugfahrt aufgenommen und als neuer Roman von Brünhofer erscheinen mit dem Titel „In einem Zug”. Diese ganze Geschichte hat sich Daniel Glattauer ausgedacht, der sie veröffentlicht als Roman mit dem gleichen Titel „In einem Zug”. Dieses literarische Experiment „ein Buch im Buch im Buch” aufzulösen, wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Schülerinnen und Schülern den Unterschied zwischen dem Autor und der Erzählinstanz zu verdeutlichen.

Weitere Ideen für den Einsatz im Unterricht:

- Autorenporträt: Kurze Recherche oder Vorstellung von Daniel Glattauer und seinem Schreibstil (z. B. bekannt für „Gut gegen Nordwind” – epistolares Erzählen, Alltagspsychologie, pointierter Stil).

- Einstieg mit Bahnerfahrungen: Die Schülerinnen und Schüler erzählen eigene Erfahrungen mit Bahnreisen – als Verbindung zum Textthema.

- Cover-Analyse: Was könnte der Titel „In einem Zug” bedeuten? Doppeldeutigkeiten erkennen (Zugfahrt vs. etwas in einem Zug tun).

- Kreative Aufgabe: Beobachtung im Bus / Zug – Schülerinnen und Schüler schreiben eigene Miniaturen nach dem Vorbild Glattauers.

- Diskussion: Wie wird unsere Gesellschaft im Zug dargestellt?

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Werteerziehung
  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2025

ISBN

9783755800408

Umfang

208 Seiten

Medien

  • Buch
  • Hörbuch
  • E-Book