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Ortwin Ramadan: Der Schrei des Löwen

Besprechung

Ortwin Ramadan erzählt in „Der Schrei des Löwen“ eine Geschichte mit zwei parallelen Handlungssträngen. Zunächst liegt der Fokus auf den beiden nigerianischen Straßenkindern Yoba (16) und dessen jüngeren, autistischen und durch eine Vodoozeremonie schwer traumatisierten Bruder Chioke. Yoba will den unsäglichen Verhältnissen seiner Heimat entfliehen und seinen in Hamburg lebenden Onkel auffinden. Er träumt davon, dass europäische Ärzte seinen Bruder heilen und er selbst wieder in die Schule gehen kann.

Doch diese lebensgefährliche Flucht kostet Geld: für Schleuser über das Mittelmeer, für Bestechungen der brutalen Militärs und für die strapaziöse Fahrt durch die Wüste. Als Yoba durch einen Auftrag von Big Eagle, dem Chef der gefürchteten Gangsterbande Black Eagle, unverhofft zu viel Geld kommt, muss er schnellstmöglichst verschwinden.

Der Autor beschreibt im Folgenden eine authentisch wirkende Abenteuerreise, die nur erfolgreich sein kann, wenn man genügend Geld hat, sich in heiklen Situationen mit List zu helfen weiß, mit einer gehörigen Portion Glück ausgestattet ist und auf Menschen trifft, die einem gut gesonnen sind.

So kümmert sich der alte Parkplatzwächer Anthony um einen Tanklaster, mit dem Yoba und Chioke aus Aba (Stadt im Süden Nigerias) wegkommen. Nachdem Yoba in Agadez (Niger) von einer jugendlichen Straßenbande niedergeprügelt wird, sind es Babatunde und seine Freunde, die Yoba und seinen Bruder wieder auf die Füße helfen. Als Yoba in der Wüste seinen Bruder aus den Augen verliert, das Geld unfreiwillig zurücklässt und die Weiterfahrt verpasst, scheint sein Schicksaal besiegelt zu sein. Doch glücklicherweise findet eine Beduinengruppe von Tuaregs den halb Verdursteten. Mustafa, der Karawanenführer, nimmt sich seiner an, päppelt ihn auf und sorgt dafür, dass Yoba zur Oase nach Dirkou gebracht wird. Ohne Geld, dafür mit List, gelingt es ihm dort, unbemerkt auf einen LKW aufzusteigen, der ihn nach Zuwara (Hafenstadt in Lybien) bringt. Zu seinem Glück versorgt ihn Yusuf, ein Koch aus dem Sudan, mit Essen, damit er die strapaziöse Fahrt übersteht. 

In der kleinen Hafenstadt trifft er seinen Bruder und Babatunde wieder und es gelingt ihm durch Zufall, auf ein Boot zur Überfahrt nach Lampedusa zu kommen. Doch das Schiff gerät in einen Sturm und das Boot kentert. Chioke überlebt mit Yobas Hilfe. Dieser selbst verschwindet in den Wellen. Übrig bleibt sein Notizbuch, in welches er seine Reiseerlebnisse notierte. Das kleine Notizbuch dient auch der finalen Schnittstelle zum zweiten Handlungsstrang, der parallel erzählt wird.

Der jugendliche Julian aus Deutschland macht mit seiner Familie Urlaub auf Sizilien. Dort lernt er die Halbitalienerin Adria kennen, in die er sich verliebt. Bei einem Tauchgang im Meer entdeckt Julian die Leiche eines Schwarzafrikaners. Kurz darauf findet er Yobas sorgsam in Plastikfolie eingepacktes Notizbuch am Strand. Berührt von dessen Schilderungen, machen Julian und Adria sich gemeinsam auf den Weg, um den Besitzer zu finden und ihm das Notizbuch zurückzugeben. Es gelingt ihnen, ins Flüchtlingslager in Lampedusa zum kommen. Dort treffen sie auf der Krankenstation Chioke und überreichen ihm das Notizbuch seines Bruders.

 

Didaktische Hinweise

Der Schrei des Löwen ist ergreifend und berührend geschrieben, dabei in leicht verständlicher Sprache gehalten. Die Erzählperspektive aus der Sichtweise der Jugendlichen macht den Inhalt für junge Leser gut nachvollziehbar. Der Flüchtlingsstrom bekommt durch Yoba ein Gesicht und es wird deutlich, warum Menschen sich trotz Lebensgefahr, Strapazen und Erniedrigungen auf den Weg in die EU machen. Aufgrund der teils erschütternden Szenen sollte es aber erst ab ca. 14 Jahren gelesen werden. Als Klassenlektüre bietet es gute Diskussionsansätze. Besonders der große Gegensatz von arm und reich fordert heraus. Aber auch grundlegende Menschenrechte, wie sie in der EU manifestiert sind, werden hinterfragt. Weitere Themen sind Mut, Hoffnung als menschlicher Antrieb und der Mensch als soziales Wesen. Im Klassenverbund sollte aber Rücksicht auf eventuelle Migranten mit ähnlichen Fluchterfahrungen genommen werden. Ein bis zur letzten Seite spannender Roman, der noch vor der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2013 geschrieben wurde und an Aktualität noch nichts eingebüßt hat. Zum Buch bietet der Carlsen-Verlag passendes Unterrichtsmaterial für die Jahrgangsstufen 9 und 10 an.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet und zum Vorlesen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 12

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geografie/Erdkunde
  • Interkulturelle Erziehung
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783551312914

Umfang

285 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book