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Kerstin Holzer: Thomas Mann macht Ferien

Besprechung

Ein Sommer am See

Kerstin Holzer erzählt in diesem „Biopic” von der Sommerfrische der Familie Mann von Mitte Juli bis Mitte September 1918 am Tegernsee. Thomas Mann und seine Frau Katia finden in der Villa des mit ihnen befreundeten Malers Defregger genug Platz für die ganze Familie (die Kinder Elisabeth, Klaus, Golo, Monika und Erika) sowie für den Hund, das Hauspersonal und den Schriftsteller Thomas Mann. Dieser befindet sich im Sommer 1918 in einer Krise in seiner Rolle als Autor. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, nahm sich der ausgemusterte Kriegsbefürworter vor, „literarischen Kriegsdienst” zu leisten. Mit den 600-seitigen „Betrachtungen eines Unpolitischen”, einer reaktionären Kriegsschrift, in der er die germanische Kultur gegen die moderne, demokratische Zivilisation verteidigt und den Traum der alten Welt weiterträumt, stellte er sich nicht nur auf die Seite der Monarchie-Befürworter, sondern auch explizit gegen seinen Bruder Heinrich, mit dem er sich politisch überworfen hatte. „Das Unterbewusstsein will Versöhnung, der Trotz verbietet es”. Nicht er, sondern Heinrich ist mit „Der Untertan” 1918 der Literat der Stunde. Auch seine Schwiegermutter Hedwig und seine Frau Katia machen keinen Hehl daraus, dass sie die Haltung „Tommys” nicht teilen. Ein zehntägiger Besuch der Pringsheim-Schwiegereltern am Tegernsee gerät deshalb für den Schwiegersohn zur Geduldsprobe. Seit 1915 arbeitete er an diesem Kriegsbuch, doch die Arbeit daran verändert ihn: Er wird gereizter, schweigsamer und strenger. Die Frage, ob er beim geplanten Erscheinen des Buches im Oktober 1918 auf der Verliererseite steht, zehrt an ihm. Auf keinen Fall möchte er vor der Welt als verhöhnter Außenseiter dastehen. Manns Urängste werden wach: der Verlust des Ansehens, der Würde, seiner ganzen Existenz, „Selbstabschaffungsgedanken” machen sich in ihm breit. Schließlich überarbeitet er das Vorwort und relativiert seine Euphorie bei Kriegsausbruch.

Der bekannte Schriftsteller nutzt die Zeit im abgeschiedenen Haus am See, um sich mit einer kleinen literarischen Fingerübung mit dem Titel „Herr und Hund. Ein Idyll„„„„” von seinen Sorgen abzulenken. Mit diesem autobiografischen Werk setzt er seinem geliebten Hund Bauschan, der ihm in der Zeit des persönlichen und politischen Umbruchs ein treuer Begleiter ist, ein literarisches Denkmal. 

Kerstin Holzer portraitiert die Kinder der Manns, erzählt von der künstlerischen Familienatmosphäre, den ersten Schreibversuchen der Kinder, deren Leben in Phantasiewelten und ihre Beziehung zum strengen Vater, für den die Arbeit auch in den Ferien im Vordergrund steht. Gleichzeitig erleben die Kinder mit ihrem Vater immer dann Sternstunden, wenn er sich die Zeit nimmt, ihnen vorzulesen. Das emotionale Kontrastprogramm am Tegernsee von Natur, Kindern und Hund scheint ihm zu bekommen, denn Holzer stellt eine Veränderung bei Mann fest: In diesem Sommer entdeckt er, so Kerstin Holzer, Liebe und Güte und lässt dies auch in seine entstehenden Erzählungen einfließen.

Katia Mann wird als heimliche Königin des Künstlerhaushaltes gewürdigt. Sie, die selbstsichere und kluge Tochter des damals reichsten Mannes Bayerns, ist für alle praktischen Dinge verantwortlich. Gerade in der Kriegszeit spielt, auch für Familie Mann, die Lebensmittelknappheit eine große Rolle im Alltag. Holzer erzählt nicht nur die Liebesgeschichte von Thomas und Katia, sondern auch davon, wie wichtig die Ehefrau für den Schriftsteller ist: Sie liest seine Werke als Erste, kommentiert diese, agiert als seine Agentin und begleitet ihn auf Reisen.

Das Buch endet mit dem Höhepunkt des Mann’schen Sommers am Tegernsee, der ersten Bergwanderung des Norddeutschen mit seiner Frau auf den Hirschberg.

Didaktische Hinweise

„Thomas Mann macht Ferien” von Kerstin Holzer bietet viele spannende Anknüpfungspunkte, weil es Literaturgeschichte, Zeitgeschichte und Familienbiografie verbindet.

Denkbar wäre ein Einsatz des Buches im Rahmen eines W-Seminars oder zur Vorbereitung eines Referats über Thomas Mann:

  • Biografischer Ansatz: Thomas Mann wird im Buch als Künstler, Familienvater und Zeitzeuge vorgestellt.
  • Zeitgeschichtlicher Ansatz: Das deutsche Kaiserreich steht kurz vor dem Zusammenbruch, das Ende des Ersten Weltkrieges steht bevor und für Thomas Mann wird seine reaktionäre Haltung zum Problem.
  • Literaturgeschichtlicher Ansatz: Genauer wird auf die Abschlussarbeiten an den „Betrachtungen eines Unpolitischen”, „Herr und Hund. Ein Idyll” und die Unterbrechung am „Zauberberg” eingegangen.
  • Ansatz über Gesellschaft und Familie: Die Manns können als Beispiel für bürgerliche Lebensformen, Kunst und Bürgertum vorgestellt werden.

Reizvoll wäre auch ein kreativer Schreibauftrag, in dem man Katia Mann (oder eines ihrer Kinder) fiktiv den Sommer am Tegernsee aus ihrer Sicht erzählen lässt.

Der Podcast „Reif fürs Museum. Der Podcast der Lübecker Museen" widmet eine Folge auch Thomas Mann: „Thomas Mann und die Demokratie”. Interessant wäre es, die Schülerinnen und Schüler mit den ihnen zur Verfügung stehenden digitalen Geräten eine weitere Podcastfolge aufzunehmen zu lassen mit dem Titel „Thomas Mann macht Ferien”.

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Politische Bildung
  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2025

ISBN

9783462006711

Umfang

208 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch