Barbara Beuys: Sophie Scholl
Besprechung
Die Journalistin und Publizistin Barbara Beuys ist durch historische Veröffentlichungen bekannt, zum Beispiel „Familienleben in Deutschland“ und mehrere Biografien. Seit 2005 ist der Nachlass Inge Aicher-Scholls zugänglich, aus dem Beuys eine neue, so bisher nicht mögliche Darstellung der Familie Scholl und der Rolle Sophies im Widerstand herausgearbeitet hat. Inge Scholl, die älteste Schwester, hatte 1952 das Buch „Die weiße Rose“ geschrieben und damit bis zum Erscheinen des Briefwechsels von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel und in vieler Hinsicht bis zu dieser Biografie das Bild der Familie und des Widerstands in ein mystifizierendes Licht getaucht.
Barbara Beuys hingegen schreibt nüchtern, ohne Umschweife und oft auch ohne Versuche, Rätsel zu lösen, für die es keine eindeutigen Antworten gibt. So ist nach wie vor nicht klar, was der Anlass für die Geschwister war, sich radikal vom Nationalsozialismus abzuwenden, von dem sie anfangs nicht nur überzeugt waren, für den sie sich auch engagierten (Sophie Scholl ging bis 1941 zu BDM-Abenden!). Die militärische Niederlage von Stalingrad, die Sorge um den Freund Fritz Hartnagel und den jüngeren Bruder Werner, die Hinwendung zum Glauben durch die Freundschaft mit Otl Aicher? Beuys kennt keine eindeutige Antwort und gibt sie auch nicht. Tatsache ist, dass die Eltern Scholl, die Mutter aus pietistisch frommem Elternhaus, der Vater liberal und eher atheistisch eingestellt, von Anfang an dem NS-Regime distanziert und skeptisch gegenüberstanden. Der Vater wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und in der Folge mit Berufsverbot belegt, weil er sich gegen Hitler ausgesprochen und den Krieg als verloren eingeschätzt hatte. In der Familie Scholl und im Freundeskreis der Geschwister wurde offenbar sehr viel gesprochen. Wenn man getrennt war, fand ein reger Briefwechsel statt. So wohl ist schrittweise der Widerstand in den Köpfen der Geschwister Hans und Sophie entstanden.
Die Rolle Sophies war bisher weit weniger aktiv und weniger von Anfang an involviert beschrieben worden. Ihr rationales Urteil zeigt sie der schwärmerischen älteren Schwester Inge und dem sich erst in der Münchener Studienzeit politisch entwickelnden Bruder Hans überlegen. Letztlich unbeantwortet bleibt auch in dieser Darstellung die Frage, warum die Geschwister das enorme Risiko der öffentlichen Verteilung der Flugblätter eingingen, was schließlich in der Aktion vom 18. Februar im Lichthof der Münchener Universität gipfelte.
Der eigentliche Wert dieses Buchs liegt vor allem in der Breite und Sorgfalt, in der die Familiengeschichte beschrieben wird. Gerade dass manches enthüllt wird, was den Moralvorstellungen der Zeit widersprochen hat oder widersprüchlich wirkt, macht das das hier gezeichnete Bild menschlich verständlich und lässt Hypothesen zu. Letztlich ist auch die Autorin darauf angewiesen: „Wir müssen nur im Hinterkopf behalten, wie dünn in manchen Zeiten das Geflecht der Lebenswirklichkeit ist, das eine Biografie Sophie Scholls – selbst mit den vielen bisher unbekannten Dokumenten – knüpfen kann“ (S. 335). Schade ist, dass im Lektorat so viele, auch störende Fehler übersehen wurden, nicht nur die irritierende Schreibung von „das/dass“ betreffend. Fächerübergreifende Ziele: Politische Bildung
Didaktische Hinweise
Zu Sophie Scholl gab es bisher vor allem Jugendbücher, allen voran das von Hermann Vinke. Mit dem Buch von Barbara Beuys können sich nun auch ältere Schülerinnen und Schüler gewinnbringend mit dieser Biographie auseinandersetzen und dabei auch Vergleiche ziehen, z. B. mit Inge Aicher-Scholls Buch über die „Weiße Rose“ von 1952. Aus dem Mangel einer fehlenden Zeittafel im Anhang ließe sich ein Projekt oder eine Seminararbeit entwickeln.
Gattung
- Sachbücher
Sachbuchkategorie
- Biografien, Autobiografien, Porträts
Eignung
als Klassenlektüre geeignetAltersempfehlung
Jgst. 10 bis 13Fächer
- Deutsch
- Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
- Geschichte
Erscheinungsjahr
2010ISBN
9783446235052Umfang
494 SeitenMedien
- Buch