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Robert Seethaler: Der letzte Satz

Besprechung

Gedanken und Erinnerungen des schwerkranken Gustav Mahler während seiner letzten Reise aus New York heim nach Wien

Der Komponist Gustav Mahler sitzt in dieser Novelle auf dem Sonnendeck eines Dampfers, der ihn und seine Familie im Winter des Jahres 1911 nach Europa bringt. In eine Decke gehüllt, genießt er das Gefühl, die kalte Luft lindere sein Fieber. Ein Schiffsjunge ist beauftragt, sich um ihn zu kümmern. Wiederholt übermittelt er die Bitte Almas, Gustav Mahlers Frau, Gustav möge ins warme Unterdeck kommen. Der lässt sich Tee bringen und schickt den Jungen weg, womit die karge Handlung des Textes beschrieben ist.

Ein immer wieder stockender Strom von Erinnerung an die letzten Jahre seines Lebens strömt durch das Bewusstsein des Geschwächten, die heißen Sommer an österreichischen Seen, der Tod seiner älteren Tochter Maria, die Demission als Hofoperndirektor, die unvollendete Arbeit an den letzten Symphonien, seine Ehe mit Alma, schließlich die Verzweiflung, als er ihre Liebesbeziehung zu Walter Gropius entdeckt und um Hilfe suchend innerhalb von drei Tagen mit dem Zug nach Leiden und zurück reist. Dort sucht er Hilfe bei Sigmund Freud, der ihm gerade einige Stunden widmet und einen Mutterkomplex attestiert. In seinen Fieberträumen erlebt er die letzten großen Auftritte, die Uraufführung der Achten Symphonie, genannt Symphonie der Tausend, in München und das Konzert in New York. Wunderbar ist allein schon die Körperlichkeit der Szene, in der ein völlig desinteressierter Rodin die Büste des total genervten Komponisten anfertigen soll und sich auf Französisch bei seiner Muse Claire de Choiseul beschwert, dass der nicht stillsitzen kann. Das letzte Kapitel ist dem Schiffsjungen gewidmet, der fünf Monate nach Mahlers Tod aus einer alten Zeitung erfährt, dass der „Herr Direktor“ vom Sonnendeck gestorben ist.

Didaktische Hinweise

Es gibt viel Anlass, die Skizzen aus Mahlers Biografie zu vervollständigen, und sich über seine Musik zu informieren, die gegenüber „dem Menschlichen“ im Hintergrund bleibt. Die an Mahler angelehnte Figur des Schriftstellers Gustav Aschenbach in Thomas Manns „Tod in Venedig“, der in Viscontis Verfilmung der Novelle ein Komponist wird, und Adornos Musiktheorie, die sich auch mit Mahlers Werk und dem Ende der Tradition befasste, können betrachtet werden. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei Seethalers Text um eine Novelle handelt und welche Bedeutungen der Titel haben könnte, der sich offensichtlich auf den Satz „Ich sollte noch ein bisschen bleiben“ bezieht, nach dem der Protagonist bewusstlos wird und weggebracht wird, aber auch auf den „Der Abschied“ genannten letzten Satz des „Lied(s) von der Erde“. Zum Vergleich eignet sich Seethalers Roman „Der Trafikant“, ein ähnlich gestaltetes, aber viel mehr ironisches Porträt Sigmund Freuds.

Alle hier rezensierten Werke von Robert Seethaler

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Musik

FÜZ

  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783446267886

Umfang

126 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch