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Daniel Kehlmann: Lichtspiel

Besprechung

Daniel Kehlmann erzählt in seinem Roman vom Versuch des Regisseurs G.W. Papst durch die Zeit der Nazi-Diktatur zu kommen, „ohne sich politisch, menschlich und vor allem künstlerisch zu kompromittieren" (Denis Scheck). Das Buch ist in die drei großen Teile „Draußen", „Drinnen" und „Danach" aufgeteilt.

Im Kapitel „Draußen" wird das Leben der Filmlegende im Exil beschrieben: Papst findet sich in einer anderen Welt wieder, in der er mit Fritz Lang verwechselt wird, in der er sich sprachlich nicht wehren kann gegen die amerikanische Oberflächlichkeit und in der er, heimat- und hilflos, sich auf Filmangebote einlassen muss, von denen er weiß, dass sie kein Erfolg werden. Er, der Entdecker von Greta Garbo, bettelt um ihr Engagement in seinem neuen Film und erfährt eine Abfuhr. Obwohl neu ankommende Flüchtlinge vom Alltag im Dritten Reich berichten, verfolgt er seinen Plan, mit seiner Familie die USA zu verlassen, um nach einem Stopp in Frankreich in die Steiermark zu fahren, um seine alte Mutter zu versorgen. Im „Drinnen"-Teil wird erzählt, wie Familie Papst mit der neuen Realität umgeht: Sohn Jakob ist der Erste, der sich an das NS-System anpasst, um nicht zu den Verlierern zu gehören. Papst bleibt nicht viel anderes übrig, als sich von der NS-Propaganda für deren Filmprojekte einspannen zu lassen, um nicht im KZ zu landen (Papst zu seiner Frau: „Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen."). Seine Frau Trude muss u.a. einem Lesezirkel von glühenden Nazi-Ehefrauen beitreten, was genauso komisch wie tragisch ist. Die Arbeit verschafft der Familie zwar eine neue, fragile Realität, aber sie überleben. Für Papst ist es die Filmwelt, in die er ganz eintauchen kann und in der er versucht, im Rahmen der Möglichkeiten, Meisterwerke zu schaffen, die seinem künstlerischen Anspruch genügen. Das stellt sich immer wieder als eine Gratwanderung heraus. Vor allem das letzte Projekt vor Kriegsende „Der Fall Molander", das auf dem Roman „Die Sternengeige" des Nazi-Bestseller-Schriftstellers Alfred Karrasch basiert, hilft ihm in seinem Überlebenskampf: Die Realität nimmt er nur noch in Filmsprache wahr, was der Wirklichkeit den Schrecken nimmt. Dass dieser Film in den Wirren des Kriegsendes verloren ging, bestimmt die Zeit „Danach" (dritter Teil).

 

Didaktische Hinweise

Der Roman eignet sich hervorragend für den unterrichtlichen Einsatz. Die einzelnen Kapitel erscheinen wie Filmszenen, sodass sie auch aus dem Kontext gelöst betrachtet werden könnten.

  1. Der gesamte Roman gibt einen Überblick über die deutsche Filmgeschichte von der Weimarer Republik über die Propagandafilme im Dritten Reich bis in die Nachkriegszeit. Er spiegelt auch den Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm.
  2. Die Biographie des deutschen Regisseurs G.W. Papst kann anhand der Kehlmann-Bearbeitung nachgezeichnet werden: Wo füllt der Roman Leerstellen aus?
  3. G.W. Papst kann als Beispiel für deutsche Künstler zur Zeit des Dritten Reichs vorgestellt werden (Leben als Emigrant in USA und Frankreich, Leben unter den Bedingungen der NS-Diktatur).
  4. Besonders raffiniert ist der Roman immer dann, wenn filmsprachliche Mittel in die Erzählung eingebaut werden: Slow Motion, Fast Forward, Doppelbelichtungen, Zeitschleifen, Cameo-Auftritte (Leni Riefenstahl, Greta Garbo, Heinz Rühmann etc.). Immer wieder, vor allem im Kapitel „Molander", nimmt G.W. Papst die Wirklichkeit nur noch als Regisseur war, was Auswirkungen auf die Erzählweise hat. Am Bahnhof in Prag wird er von Soldaten aufgehalten. „Papst überlegte, eine absurde Leichtigkeit, gemischt aus Müdigkeit und Verwirrung, hatte ihn erfasst; man muss nur die Perspektive wechseln, dachte er und stellte sich eine Kamera hinter den Männern vor, die den Blick über ihre Schultern, entlang der Gewehrläufe auf die die zwei fernen, beladenen Figuren auf der anderen Seite der Brücke richtete. Und jetzt ein Schwenk, dachte er – die Kamera dreht sich, [...] und jetzt erschienen dort mittels einer Doppelbelichtung die beiden Männer und setzten [...] den Weg fort."
  5. Zu analysieren ist die Erzähltechnik Kehlmanns (erzählerische Mittel).

 

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Kulturelle Bildung
  • Sprachliche Bildung

Erscheinungsjahr

2023

ISBN

9783498003876

Umfang

480 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch