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Alem Grabovac: Das achte Kind

Besprechung

Bei dem Roman „Das achte Kind“ des Journalisten und ZEIT-Autors Alem Grabovacs handelt es sich um einen autobiografischen Coming of Age-Roman, in dem Alem, der Ich-Erzähler des Romans, der den gleichen Namen wie der Autor trägt, seine eigene „Gastarbeiter“-Biografie erzählt, in der er gleich drei Väter hat: Seinen leiblichen Vater Emir, ein feierfreudiger Kleinganove, den er nie kennengelernt hat, seinen deutschen Pflegevater Robert, der Journalist bei einer Motorradzeitschrift ist und der noch Jahrzehnte nach dem Ende des Dritten Reiches Hitler nachtrauert und die Juden für alle Übel der Welt verantwortlich macht und Dusan, seinen Stiefvater, ein Säufer und Schläger, mit dem seine Mutter Smilja nach Emirs Verschwinden in Deutschland zusammen lebt. Der Roman selbst beginnt mit dem „Buch Smilja“, der Geschichte von Alems Mutter, die Ende der 60er-Jahre aufgrund einer Anzeige, die ein besseres Leben in Deutschland verspricht, aus einem Bergdorf im kroatischen Hinterland nach Würzburg kommt, um dort in einer Schokoladenfabrik zu arbeiten. Sie wird später nach Frankfurt ziehen. Als Alem 1974 auf die Welt kommt, bleibt ihr, wie damals vielen Gastarbeiterinnen, nichts anderes übrig, als Alem wegzugeben. Sechs Wochen nach Alems Geburt arrangiert sie sich mit Alems neuen Pflegeeltern Robert und Marianne, die neben ihren eigenen Kindern noch weitere Gastarbeiterkinder aufnehmen: Alem soll von Montag bis Freitag in der deutschen Pflegefamilie bleiben, die Wochenenden verbringt er bei seiner Mutter und Dusan in der engen Wohnung im Frankfurter Bahnhofsmilieu. Als achtes Kind wächst Alem schließlich neben den sieben leiblichen Kindern in seiner Pflegefamilie auf, die sich liebevoll um ihn kümmet und die am Ende auch für seinen Bildungsaufstieg verantwortlich ist.

Obwohl Alem von seiner Pflegefamilie wie ein eigenes Kind aufgenommen und geliebt wird, führt er ein zerrissenes Leben zwischen dem vermeintlichen Vorzeigeleben der Pflegefamilie und der Tristesse, Ohnmacht und Gewalt, die er am Wochenende bei seiner Mutter und Dusan erfährt, die Alem lange in dem Glauben lässt, dass sein Vater Emir gestorben sei. Dieser sitzt aber in Wahrheit im berüchtigten jugoslawischen Gefängnis Goli Otok, weil er sich negativ über Tito geäußert hat. Der starke Kontrast zwischen dem wohlgeordneten, beinahe spießigen Leben in der deutschen Pflegefamilie und seiner kroatischen Familie wird Alem auch immer wieder auf den Reisen zusammen mit seiner Mutter zu den Großeltern in das ärmliche jugoslawische Heimatdorf bewusst, wo er mit dem aufkeimenden Nationalismus zu Beginn der 1990er Jahren konfrontiert wird und der schließlich zum jugoslawischen Bürgerkrieg führt. Der Roman endet mit dem „Buch Emir“. Hier berichtet Alem, wie er als erwachsender, nachdem er sich nicht nur von seiner Pflegefamilie emanzipiert, sondern auch seinen eigenen Weg im Leben gefunden hat, von seiner Reise zum Grab seines Vaters Emir in Kroatien. 

Didaktische Hinweise

Alem Grabovacs Roman „Das achte Kind“ eignet sich sehr gut als Klassenlektüre in der Oberstufe (10. Klasse). Anhand von Alems Mutter Smilja und Alem wird hier ein wichtiger Teil deutscher Nachkriegsgeschichte erzählt, der in der deutschen Literatur bisher wenig beachtet wurde. Am Beispiel von Alems Kindheit und Jugend, die sich zwischen zwei Familien mit drei Vätern abgespielt hat, wird deutlich, wie sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft formiert hat und wie schwer es ist, seine eigene Identität und Zugehörigkeit zu finden, wenn man mit zwei unterschiedlichen Kulturen aufwächst. Bei der Lektüre des Romans zusammen mit Schülerinnen und Schülern könnte der Fokus daher auf folgende Themenbereiche gelegt werden: 

  • Die Geschichte der Gastarbeiter in Deutschland (Probleme der unterschiedlichen Einwanderergenerationen (Smilja, Dusan – Alem)
  • Die Frage nach der deutschen Vergangenheitsbewältigung (Peter, Marianne)
  • Herkunft, Heimat und Heimatverlaust (Smilja – Alem)
  • Das Leben zwischen zwei Kulturen  (Smilja, Dusan – Alem)
  • Der Jugoslawienkrieg 1991 (Alems Großeltern, Emir)
  • Bildungschancen für Menschen mit Migrationshintergrund (Alem)
  • Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund (Alem)

Zu dem Roman gibt es auch eine sehr gelungene Hörbuchfassung, die von Fabian Busch gelesen wird.

Gattung

  • All Age

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Geschichte

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Kulturelle Bildung
  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783446267961

Umfang

256 Seiten

Medien

  • Buch
  • Hörbuch