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Manfred Renn, Werner König: Kleiner Bayerischer Sprachatlas

Besprechung

Die Autoren des KBSA, Manfred Renn und Werner König, sind Urgesteine der bayerischen, insbesondere der schwäbischen Dialekt­forschung. Für den Kleinen Bayerischen Sprachatlas werteten sie Daten aller Teilprojekte des Bayerischen Sprach­atlas (BSA) aus.

Der BSA, ein geisteswissenschaftliche Mammutprojekt der 1980er bis 2000er Jahre, hatte zur Aufgabe, den ältesten noch direkt erhebbaren Stand der Mundarten in Bayern zu erfassen und zu dokumentieren. Von den Universitäten Augsburg, Bayreuth, Erlangen, Passau und Würzburg aus wurden Exploratoren in Dörfer geschickt, die vor Ort mit kompetenten Dialektsprechern fragebuch­basierte Interviews führten. Die Ergebnisse dieser Erhebungen flossen in mehrbändige Dialektatlanten ein, die in detaillierter Weise die Verbreitung lautlicher, morphologischer und lexikalischer Phänomene in kommentierter Kartenform präsentieren. Diese Sprachatlanten des BSA wenden sich an ein wissenschaftliches Fachpublikum und sind der Allgemeinheit und damit auch dem schulischen Rezipientenkreis schwer zugänglich. Das liegt allein schon an der Tatsache, dass Punktkarten vorherrschen und die Lautungen in der speziellen Lautschrift Teuthonista angegeben sind.

Hier erkannten nun Renn und König Handlungsbedarf. Sie machten es sich zur Aufgabe, die BSA-Daten populärwissenschaftlich aufzubereiten, zu präsentieren und zu erläutern. Es entstand unter Mithilfe aller BSA-Teilprojekte der Kleine Bayerische Sprachatlas (KBSA).

Im KBSA führen Renn und König zunächst in ihre Systematik der lautnahen Verschriftlichung des Sprachmaterials ein. Mit wenigen Ausnahmen bzw. Ergänzungen halten sie sich an die Buchstaben des lateinischen Alphabets und an die standardsprachlichen Phonem-Graphem-Korrespondenz­regeln. Nötige Differenzierung erreichen sie beispielsweise durch Kleindruck von Vokalgraphemen für Schwa-Laute wie a in Schnaggla ‚Schluckauf‘. Diese Systematik kann Vorbildcharakter für die Mundartschreibung haben.

Nun wird – durchaus ausführlich – auf die Sprachgeschichte eingegangen, beginnend mit der Vor­geschichte und endend mit dem Neuhochdeutschen. Hier wird ein sehr guter Überblick über die heutigen Mundarten Bayerns gegeben. Besonders hilfreich ist die Überblickskarte der Dialekträume in Bayern.

Nach Ausführungen zum Verhältnis von Dialekt, Umgangssprache und Standard beginnt mit den Vokalen der eigentliche Atlasteil. Wie im BSA wird in der Gliederung des KBSA auf das Mittelhochdeutsche Bezug genommen. Ab der ersten Karte – mhd.  a – zeigt sich die dem Laien sympathische Haupteigenschaft der Darstellung: Renn und König verwenden Flächenkarten.

Die Adressatenbezogenheit erkennt man im Übrigen auch daran, dass die große Mehrheit der Karten lexikalischen Inhalts ist; interessiert den Laien der Wortschatz im Allgemeinen doch mehr als lautliche Feinheiten. Prominente kartierte Themen sind zum Beispiel ‚mit Schuhen auf Eis gleiten‘ („schleifen“, „heigseln“, „schliefern“ etc.), ‚Kleidung‘ („War“, „Montur“, „Gwand“ etc.) und ‚Holz­splitter in der Haut‘ („Spreißel“, „Spieß“, „Schiefer“ etc.). Daneben finden sich aber auch höchst interessante Karten zur Formengeographie wie beispielsweise zum Diminutivsuffix („Hündchen“ jenseits des Spessarts vs. „Hündlein“ bzw. „Hündla“, „Hundl“, „Hindle“) oder zu Richtungs­adverbien wie „herein“ („rei“) im Alemannischen und Fränkischen vs. „einher“ („eina“) im Bairischen.

Jeder Karte ist ein Kommentar beigestellt, der Auskunft gibt über die außersprachlichen Hinter­gründe des jeweils kartierten Themas. Des Weiteren werden Lautung, Morphologie und Etymologie der kartierten Bezeichnungen auf gut verständliche Weise erläutert.

Didaktische Hinweise

Der KBSA vermittelt Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung einem breiteren Publikum in klarer und ansprechender Form, populärwissenschaftlich aufbereitet, ohne dabei unlautere oder gar verfälschende inhaltliche Abstriche zu machen.
Damit ist der KBSA für den nicht-akademisch-universitären Bereich das Standardwerk zur Dialektgeographie in Bayern. Er ist als unabdingbare Grundlage aller schulischer Beschäftigung mit Dialektgeographie anzusehen und sollte in keiner Schulbibliothek fehlen.

Durch seine Art der Darstellung ist der KBSA auch bestens geeignet für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Die Klassen oder Kurse können zum Verhältnis von Dialekt, Umgangssprache und Standardsprache, über Dialekträume und die heutigen Mundarten Bayerns informieren sowie zahlreiche Dialektbegriffe (s. Beispiele oben) in lautnaher Verschriftlichung korrekt und dennoch verständlich nachlesen.

Auch können Schülerinnen und Schüler natürlich Arbeitsaufträge zu eigenen Dialekt-Fragebogen/Interviews und zur Erstellung eigener kleiner Dialektkarten bekommen.Weitere Ideen zur Arbeit mit dem KBSA, z. B. im P-Seminar, finden sich im Portal „Dialekte und Brauchtum in Bayern“.

Lehrkräfte können auf den KBSA zur Information oder als Arbeitsgrundlage zurückgreifen und auch gut Aufgaben daran anschließen, z. B. Vergleiche zu sprachwissenschaftlichen Erhebungen des gesamten deutschsprachigen Raums wie dem Atlas für deutsche Alltagssprache. So finden sich sowohl im KBSA die o. g. Karte zum Richtungsadverb „herein“ („rei“) als auch im AdA zu „rein“ (und „rauf“) (2011).

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Lexika, Nachschlagewerke
  • Literatur, Lesen, Sprache

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Sprachliche Bildung
  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2006

ISBN

9783423033282

Umfang

256 Seiten

Medien

  • Buch