mobile Navigation Icon

Alain Ehrenberg: Das Unbehagen in der Gesellschaft

Besprechung

Der Sozialpsychologe und Autor von „Das erschöpfte Selbst“ (La fatigue d'être soi) hat hier die Veränderungen der Gesellschaft untersucht, die dazu führen, dass sich der Einzelne schlecht fühlt. Das Ergebnis erschreckt: es gibt die Gesellschaft als Ort der Geborgenheit und des Schutzes nicht mehr. Zwar sind auch Zwang zu Gehorsam und Verbote weggefallen, aber weder Familie noch Arbeitsplatz bieten die frühere Sicherheit und Kontinuität. Es gilt das Prinzip der Eigenverantwortung, der Eigeninitiative: du kannst alles erreichen, du musst nur wollen. Die Kehrseite ist: wenn du nichts wirst, bist du selbst schuld. Der Zwang zur Autonomie hat die Triebunterdrückung abgelöst. Der Mensch wird auf sich selbst zurückgeworfen, er wird zum Narziss. Narziss hat den Ödipus Freuds abgelöst, so Ehrenberg. Entsprechend ist der Typ, der an die Spitze von Unternehmen gelangt, ein gestörter Neurotiker, der kein Einfühlungsvermögen und Verständnis für seine Mitarbeiter und Untergebenen aufbringen kann, das ist der Manager, der die Effizienz seines Betriebes über alles stellt und daraus sein Selbstwertgefühl schöpft - eine typische Gestalt der amerikanischen Krise. Der Begriff „human ressources“ mag ein Auswuchs dieses Phänomens sein. Die andere ist der Therapeut. Auch er dient der Effizienz: er hilft dem aus der Produktionsschiene gefallenen Arbeitnehmer, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren und seine Arbeitskraft wieder zu erlangen. Die neuen Normen heißen: Projekt, Motivation, Kommunikation. Der Depressive genügt keiner davon: er kann nicht in die Zukunft planen, er fühlt sich unnütz und unfähig und kann nicht mit anderen kommunizieren. Das war bereits eine These von „Das erschöpfte Selbst“. Es gibt viele Ursachen der Krise, die den Menschen leiden lässt. Der französische Titel des Buches heißt daher „La société du malaise“, bewusst nicht genau analog zu Freuds „Das Unbehagen in der Zivilisation“, die postindustrielle Gesellschaft wird also durch das Unbehagen ihrer Bürger charakterisiert. Die Psychologie liefert die Sprache, mit der das Individuum sein Unbehagen ausdrücken kann. Ehrenberg untersucht das Phänomen speziell an der amerikanischen und der französischen Gesellschaft, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Geschichte anders entwickelt haben. Der Autor bezieht sich dabei auf Freud und Lacan, man sollte sich also auf eine Lektüre einstellen, die gewisse Voraussetzungen erfordert.

Didaktische Hinweise

Der anspruchsvolle Text kann indirekt oder in gut gewählten Auszügen auch im Unterricht verwendet werden.

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Geschichte, Archäologie
  • Politik, Gesellschaft
  • Pädagogik, Psychologie

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Französisch
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783518585610

Umfang

530 Seiten

Medien

  • Buch