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Benno Gammerl: Anders fühlen. Schwules und lesbisches Leben in der Bundesrepublik

Besprechung

Studie homosexuellen Lebens und Fühlens von der Nachkriegszeit bis in die 70ger und 80ger Jahre, mit einem kurzen Abriß zur Gegenwart. Frau Schmidt hat lange gebraucht, hat zweimal geheiratet und zwei Kinder groß gezogen, bis sie so leben konnte, wie sie fühlte. Frauen schrieb man in den Nachkriegsjahren Homosexualität gewöhnlich nicht zu, was aber auch bedeutete, dass es keine Lebensmuster für sie gab, weder Vorbilder noch Orte, wo man sich treffen und austauschen konnte. Die soziale Kontrolle war besonders in ländlichen Strukturen streng. Für Männer war es leichter, vor allem wenn sie in der Stadt lebten und unverbindlichen Sex suchten, allerdings waren sie gegen Gewalt und Kriminalität schlecht geschützt. Auch gab es seit der Weimarer Republik bis 1969 den Paragrafen 175, nach dem erwachsene Männer verurteilt werden konnten, wenn sie Sex miteinander hatten. Es gab Selbstmorde aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Gefängnisstrafen. Ein weiterer, besonders Männer betreffender Einschnitt war die Verbreitung von AIDS in den 80ger Jahren. Unter „Ausweichen“, „Aufbrechen“, „Ankommen“ fasst Gammerl drei große Kapitel zusammen. Jedes Kapitel wird von transkribierten Originalbeiträgen zweier Protagonisten, Frau Schmidt und Herr Meyer genannt, eingeleitet, auch am Schluss kommen sie zu Wort. 30 andere Menschen, geboren zwischen 1943 und 1970, hat Gammerl außerdem befragt, um zu erfassen, was „fühlen“ jeweils bedeuten konnte. Dazu analysiert er Stereotype, die zur Diskriminierung aber auch zur Herausbildung eines Selbstbildes beitrugen, und die Darstellungen in den Masssenmedien. Die Verbürgerlichung der Schwulenbewegung, das Streben nach den Symbolen der Heteronormalität, wie die Ehe und Familiengründung, sieht er als neuere Herausforderung: es sind nicht mehr vor allem äußere Schwierigkeiten, die ein gelingendes Leben verhindern.

Didaktische Hinweise

In jede Schulbibliothek gehört ein Buch über das Thema, das einige Jugendliche direkt, alle indirekt betrifft. Dass es auch um eine Geschichte des Fühlens nach dem Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen geht, macht diese Studie besonders interessant. Auszüge dienen als Diskussionsgrundlage.

Man kann auch weiter denken, da wo das Buch endet: Welche Probleme stellen sich heute zum Beispiel gleichgeschlechtlichen Paaren durch die Gesetzgebung in Deutschland, etwa zu Adoptions- und Erbrecht und zur Reproduktionsmedizin? Auch ein Blick ins Ausland ist möglich – wie sieht es in anderen (europäischen) Ländern mit der Gleichstellung aus? Nicht zuletzt bei der EM 2021 und der Frage, ob die Allianz-Arena in Regenbogenfarben leuchten darf, was die UEFA verbot, ist in Europa die Debatte um LGBTQI+ und die Diskriminierung von Menschen mit unterschiedlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen brandaktuell. 

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Politik, Gesellschaft

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Familien- und Sexualerziehung

FÜZ

  • Familien- und Sexualerziehung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783446269286

Umfang

415 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book