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Mithu Sanyal: Identitti

Besprechung

Eine rasante Tour durch die Welt der Identitäten mit der Göttin Kali

Die Kulturwissenschaftlerin und Publizistin Mithu Sanyal hat sich in ihren Sachbüchern bisher unter anderem mit Vergewaltigung und dem weiblichen Geschlecht beschäftigt. In ihrem ersten Roman setzt sie sich mit dem weiten Feld der Debatten über Identität und Rassismus auseinander.

In den USA erschien im Jahr 2000 Philip Roths Roman „Der menschliche Makel“, dessen Hauptfigur Coleman Silk, Professor für klassische Literatur, zum Rücktritt gezwungen wird, weil er sich angeblich rassistisch geäußert hat. Zur Überraschung der Leserinnen und Leser stellt sich später heraus, dass Silk selbst nicht als Weißer geboren worden ist, sondern sich jahrzehntelang als solcher ausgegeben hat, um beruflich und gesellschaftlich voranzukommen.

Mithu Sanyals Figur Saraswati, Professorin für postkoloniale Studien und gefragte Teilnehmerin an Talkshows aller Art, geht den umgekehrten Weg. Als weiße Frau in Deutschland geboren, gibt sie sich als Inderin aus, um?

Das ist die Frage, die ihre Studentinnen umtreibt, vor allem Nivedita, für die Saraswati Vorbild und Fixpunkt in ihrer schwankenden Selbstgewissheit als Tochter eines indischen Vaters und einer weißen Mutter ist. Nach Saraswatis Enttarnung, von der bis zum Schluss des Romans nicht klar wird, ob die Professorin diese selbst inszeniert hat oder ob sie die Rache ihres tatsächlich aus Indien stammenden Adoptivbruders ist, bricht, wie nicht anders zu erwarten, ein Shitstorm los. Das Besondere an den in den Roman integrierten Äußerungen erfundener und realer Personen in den sozialen Medien ist, dass sich die Autorin von letzteren Reaktionen auf diesen fiktiven Skandal hat schreiben lassen.

Während Saraswatis Studentinnen und Studenten ihre Professorin in den sozialen Medien verbittert und wütend angreifen, schweigt Nivedita zunächst in ihrem Blog, den sie unter dem Namen „Identitti“ betreibt, und sucht Saraswati auf, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, warum sie sich als Inderin ausgegeben hat. Eine nachvollziehbare Antwort von der charismatischen und hoch gebildeten Frau bekommen weder Nivedita noch die Leserinnen und Leser.

Mithu Sanyal behandelt die Fragen nach Herkunft und Identität mit viel Humor und Witz. So führt Nivedita stets (Selbst-)gespräche mit der vielarmigen Göttin Kali, die Niveditas Handlungen und Äußerungen stets ironisch und gewitzt kommentiert.

Didaktische Hinweise

Für junge Leserinnen und Leser ist die Lektüre dieses Romans sicherlich ein großer Gewinn, denn er zeigt ihnen sowohl die Allgegenwärtigkeit von Rassismus und Unterdrückung auf als auch die voraussehbaren Reaktionen in den sozialen Medien zu diesen Themen. Für die Vorbereitung des Unterrichts sind die Anmerkungen äußerst hilfreich, da hier die Quellen der im Roman verwendeten Zitate angegeben werden; außerdem findet man weitere Literatur zu den von Mithu Sanyal aufgegriffenen Fragestellungen.

Mithu Sanyals Roman wurde in den Medien ausführlich besprochen, etwa im Deutschlandfunk oder in der Süddeutschen Zeitung, auch hier finden sich interessante und weiterführende Anregungen. Der Hanser Verlag bietet auf seiner Website außerdem ein kurzes Interview mit der Autorin und Leseproben.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Interkulturelle Erziehung
  • Medienerziehung

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Medienbildung/Digitale Bildung
  • Politische Bildung
  • Soziales Lernen
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2021

ISBN

9783446269217

Umfang

432 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book