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Helena Adler: Die Infantin trägt den Scheitel links

Besprechung

Autobiografische Erzählung vom Aufwachsen als jüngstes Kind auf einem Bauernhof im Salzburger Land

Ihre Muttersprache beschreibt die Ich-Erzählerin als „Bellen und Knurren“. Genauso hört sich ihr Text auch an, der stark an Thomas Bernhard erinnert. Metaphern werden aufgerufen und dann gleich wieder umgekehrt und wörtlich genommen: „Die Oma gibt den Löffel ab und ich schlürfe die Begräbnissuppe aus einem Rotzlöffel, der sich mit Nasenschleim aus Wut und Trauer füllt.“ und so weiter. Da waltet kein Feingefühl, oft kein guter Geschmack. Die Mutter wirft eine Gabel nach ihrer jüngsten Tochter, die „das Tafelsilber wie einen Granatsplitter“ aus ihrem Schenkel zieht – zurück bleiben „Vier kleine Stiche, das Memorial einer mütterlichen Brutalität, das ich stolz präsentiere wie Frida Kahlo ihre zerstörte Seelenlandschaft.“ Gemälden weist die Autorin neben Film (Dirty Dancing) und Musik (By the Rivers of Babylon) eine wichtige Rolle zu: Jedes der 21 Kapitel trägt den Titel eines Bildes, ein Anhang enthält die Liste der Künstler und ihrer Werke. Wenn man sich dem allen stellt, erfährt man die Geschichte eines kleinen Mädchens, das den Bauernhof der Eltern eigentlich nicht unabsichtlich in Brand setzt, wilde Fantasien von Wölfen und anderem Getier hegt und seine älteren Zwillingsschwestern hasst. Sie ist eine Infantin in Gummistiefeln und hat eine religiöse und phasenweise depressive Mutter sowie einen alkoholmissbrauchenden Vater. Die Eltern lassen sich schließlich nach schlimmen Gewaltexzessen und einigen Wochen „kalten Kriegs“ scheiden, die Mutter zieht weg, der Vater muss wegen Schlägerei und Körperverletzung ins Gefängnis. Im letzten Kapitel kommt Adler in der Gegenwart an und erzählt von ihrer Schwangerschaft, einem Besuch bei der Mutter und einer Art Waffenstillstand zwischen beiden, als das Kind da ist.

Didaktische Hinweise

Der „Heimatroman“ wurde in Österreich schon in den 60er Jahren persifliert und gegen den Strich verstanden: Gert Jonkes „Geometrischer Heimatroman“ (1969, Neuauflage 2016) kann als Vergleich herangezogen werden, Thomas Bernhard ohnehin. Die Sprache des Textes, die Wirkung des oft abgehackten Stils, der drastischen Ausdrucksweise, der untergemischten Kommentare („Ich suhle mich im Dreck meiner selbst diagnostizierten Sozialverweisung“, S. 13) aus Sicht des erwachsenen Ich und vieles mehr bietet sich für eine Analyse an.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch

FÜZ

  • Werteerziehung
  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783990272428

Umfang

184 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book