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Ursula Krechel: Landgericht

Besprechung

Das Buch erhielt den deutschen Buchpreis 2012. „Ursula Krechel erzählt in ihrem Romane Landgericht die Lebensverwicklung des aus dem Exil zurückkehrenden Richters Richard Kornitzer. Er ist vom Glauben an Recht und Rechtsstaatlichkeit durchdrungen und zerbricht, als er in der Enge Nachkriegsdeutschlands den Kampf um die Wiederherstellung seiner Würde verliert. Die Sprache des Romanes oszilliert zwischen Erzählung, Dokumentation, Essay und Analyse. [...] Landgericht ist ein bewegender, politisch akuter, in seiner Anmutung bewundernswert kühler und moderner Romane“, so die Begründung der Jury für die Auswahl.

Der Romane erzählt eine fiktive Geschichte, die aber auf einem realen Fall und umfangreichen Recherchen der Autorin beruht: Richard Kornitzer hat in Berlin eine glänzende Zukunft als Jurist in Aussicht, aber er ist Jude und es gibt für ihn in Deutschland keine Zukunft mehr. Auch seiner „arischen“ Frau Claire, die sich nicht von ihm scheiden lassen will, wird das Leben schwergemacht. Widerstrebend entschließt sich das Ehepaar, den siebenjährigen Sohn und die vierjährige Tochter mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Kornitzer selbst rettet sich praktisch in letzter Minute nach Kuba. Seine Frau kann nicht mehr nachkommen und muss, bedrängt von der Gestapo, in Deutschland bleiben. 1947 kehrt Kornitzer zu ihr zurück, er wird Landgerichtsrat in Mainz, das Paar baut sich ein Haus und die Kinder werden wiedergefunden. Aber Kornitzer begegnet in der jungen Bundesrepublik unterschwelligem Misstrauen, Vorbehalten und Demütigungen, Verständnislosigkeit, Kleinlichkeit und kollektivem Leugnen, gepaart mit der Verweigerung von Wiedergutmachung. Kornitzer muss das zum Beispiel erfahren, wenn er immer wieder die Kriegserlebnisse der Mainzer zu hören bekommt und für sein eigenes Schicksal nur Desinteresse erfährt. Als sich das Zusammentreffen mit den Kindern auch noch als Desaster erweist (die Fremdheit den Eltern gegenüber ist unüberwindlich), führt Kornitzers Enttäuschung über mangelnde berufliche Anerkennung und ausbleibende Wiedergutmachungsleistungen zu einem wilden Kampf mit den Behörden, verschiedentlich wird er als „Kohlhaas'scher Charakter“ bezeichnet. Die (psychischen und materiellen) Schäden, die er und die Seinen erlitten haben, sind irreparabel, und es gab noch nicht einmal den guten Willen zu helfen. Erst dieses Buch verschafft ihm späte Gerechtigkeit.

Didaktische Hinweise

Das Buch ist unbedingt für die Schulbibliothek zu empfehlen, es ist als Lektüre genauso geeignet wie als Thema für schriftliche Arbeiten und kann im sowohl im Deutsch- als auch Geschichtsunterricht verwendet werden.Aufgabenvorschläge:- Zeigen Sie, dass Richard und Claire ein Gegenmodell zum nationalsozialistischen Ehe- und Familienmodell darstellen.- Welche Aufbruchsstimmung in Berlin, die dann von den Nationalsozialisten zerstört wurde, zeichnet die Erzählerin?- Wie zerstört die politische Entwicklung Claires berufliches Engagement? - Stellen Sie dar, wie sich die Nationalsozialisten der Filmwirtschaft bemächtigten und welche Ziele sie damit verfolgten. (vgl. S. 222 f.)- Welches Bild von Deutschland nach dem Krieg entwirft das Buch?- Warum ist das Leben der Kornitzers irreparabel beschädigt?- Welche Erklärungen gibt es dafür, dass Kornitzers Karriere nach dem Krieg gehemmt wird?- Weshalb wird Richard Kornitzer verschiedentlich als neuer Michael Kohlhaas bezeichnet?- Erklären Sie den Widerstand und die Ablehnung der Kinder Georg und Selma.- Verfassen Sie ein Glossar zu dem Buch zu den wichtigsten historischen Ereignissen nach dem Krieg.- Analysieren Sie das erzähltechnische Verfahren der Verfasserin.- Vergleichen Sie das Buch mit dem realhistorischen Hintergrund (vgl. Michaelis, Martin Bernd: Diese Geschichte vererbt sich an die Kinder. In: FAZ vom 27.12.2012)

Alle hier rezensierten Werke von Ursula Krechel

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783990270240

Umfang

494 Seiten

Medien

  • Buch