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Lilyane Barley: Tim und Sarah im Zauberbann

Besprechung

Barley erzählt für Leserinnen und Leser von 10 Jahren an. Das sind jene, die gerade die Märchen und fantastischen Erzählungen, wie die von Feen und Elfen, abgelegt haben, aber sich ihrer Inhalte, des geheimnisvollen Geschehens noch voll bewusst sind. Sie erinnern sich an den tiefen Wald und wissen, wer in einen solchen Wald – oft einen verbotenen (vgl. Harry Potter) – hineingeht, der kehrt anders daraus zurück. Rotkäppchen, so hofft der Leser, ist klüger geworden und lässt sich nicht so schnell vom Wolf wieder verführen, der ja ohnehin verschwinden musste .Auf der Klaviatur dieser Kenntnis der Leser spielt Barley mühelos und bedient sich dabei der vertrauten Muster, Motive, Metaphern und Bildwelten, verwoben mit einem aktuellen Geschehen um zwei Kinder, die unter einem gemeinsamen Stern geboren wurden. Tim und Sarah, so erzählt ein auktorialer Erzähler, heißen die beiden, die beim Geschrei verschiedener Waldvögel, die siebenmal die Geburtsklinik einer Stadt im Bayrischen Wald im Kreis umflogen, dort zur Welt kamen. Gleichzeitig gab es einen doppelten Regenbogen am Himmel und einen mysteriösen Nebel, der durchs geöffnete Fenster zu den Müttern mit ihren neu geborenen Kindern schwebte. So viel Naturereignis kann doch nur Gutes für die beiden Kinder bedeuten, die dort zeitgleich das Licht der Welt erblickten. Was das letztendlich bedeuten soll, das zeigt sich erst zu einer Zeit, wo beide die Welt schon bewusst wahrnehmen können. Das Wiedersehen der beiden Kinder geschieht nach einem tragischen Ereignis – ein krasser Eingriff in das Geschehen der bis dahin eher ruhig verlaufenden Erzählung: Sarahs Eltern sterben bei einem Verkehrsunfall. Die Konsequenz daraus ist, dass das allein zurück bleibende Mädchen zu ihrer Tante just in den Ort zieht, in dem Tim lebt. Der trifft sie im Laden der Tante, wo sie aushilft. Beide sind sich sofort sympathisch und freunden sich an. Ihre Freundschaft aber wird auf eine harte Probe gestellt. Tim und Sarah müssen verschiedene, auch lebensbedrohende Schwierigkeiten meistern und beweisen, dass sie wirklich gute Freunde sein wollen und können. Bei einem Versteckspiel der Kinder beginnt, was in die fantastische Welt führt und dort zu Verwünschungen, Verzauberung und zu Kämpfen gegen das Böse führt.

Sarah überschreitet zuerst die Brücke, den Weg in den Zauberwald, um Tim zu suchen. In der Umkehrung wird es Tims Aufgabe sein, Sarah dort unter allen Umständen zu finden, was bedeutet, dass auch er über die Brücke in den Zauberwald hineinlaufen muss. Damit sind die Kinder einem „Zauberbann“ ausgeliefert. Bei Barley liegt die fantastische Welt nahe an der Realität. Der Übergang von der einen in die andere Welt führt über eine Brücke, die direkt in den Wald übergeht. Wald ist eine Metapher in der deutschen Literatur, speziell in der Zeit der Romantik, die für unberührte Natur, aber auch für eine Welt voller Zauberwesen, wie sie die Fantasie der Menschen immer wieder hervorbringt, stehen kann. Um den Wald ranken sich häufig Geheimnisse. Das betrifft auch den Wald, der von Tims Dorf aus zu sehen ist. In ihm sollen schon Kinder verloren gegangen sein. Tim und Sarah werden diese finden und am Ende der Erzählung zurück bringen. Bis dahin entfaltet sich ein temporeiches, spannendes Geschehen, dem der Leser – immer mit der Hoffnung, dass alles gut ausgeht – mit Interesse folgt.

Tim wird Sarah suchen und finden und dabei all seine Kraft und seinen Mut aufbringen, dass die Elfe Sarah wieder das Mädchen Sarah wird. Am Schluss retten die Kinder, die mit Klugheit und List alle Tücken im Wald überstanden, noch das gesamte Dorf, das eine böse Hexe mit verseuchtem Regen vergiftet hat. Es gelingt der Autorin, die Leseerfahrungen dieser Altersgruppe anzusprechen und diese mit aktuellen Fragen zu verbinden. Gut und Böse sind noch scharf getrennt und das Gute wird siegen. Der Wald, wie die Autorin andeutet, bedeutet Schutz und Gefahr zugleich. Man kann in ihm verzaubert werden in eine Elfe, was Sarah geschieht, die von einem Elfenkönig und seiner Frau adoptiert wird und der es auf diese Weise gut geht. Tiere, wie die eingangs bemühten Waldvögel, die bei der Geburt der Kinder die Klinik umflogen, treten auch im Wald als hilfreiche Helfer auf. So trägt eine Wildente die verletzte Sarah zu den Elfeneltern zurück. Und alle, Mensch und Tier, können miteinander kommunizieren.

Aber auch in der Fantasy-Welt, in den magischen Welten, wie sie die Autorin nennt, gibt es gute Wesen und es gibt auch böse, die auf das Verderben anderer aus sind. So hat die berühmte Herrscherin der „verborgenen Welt“ zwei Töchter, davon ist die eine lieb und gut und schön, die andere aber hässlich und böse. Auch das ist ein vertrautes Märchenmuster. Dass die böse Tochter dem Dorf Schaden zufügt mittels verseuchtem Regen, das führt die Leser in die Wirklichkeit zurück so wie Tim und Sarah auch. Auf diese Weise lässt die Autorin ihre Leser bei allem guten Ende der fantastischen Geschichte nachdenklich zurück. Verseuchter Regen, der das Leben von Mensch und Natur bedroht, ist eben nicht von Außerirdischen, wie hier in der magischen Erzählung, sondern von Menschen gemacht. Autorin der Rezension: Prof. Dr. Gudrun Schulz, o. Mitglied der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Aufnahme mit frdl. Genehmigung der Autorin. Erstveröffentlichung: Aus der Bücherkiste 11/2015, Märchen-Spiegel 4/2015

Didaktische Hinweise

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 4 bis 7

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2015

ISBN

9783954529452

Umfang

212 Seiten

Medien

  • Buch