Ottessa Moshfegh: Eileen

Besprechung

Eine alte Frau erzählt aus großer Distanz und erbarmungslos ihre eigene Jugend. Diese Perspektive erlaubt das Eindringen in privateste Gedanken und Obsessionen. Eileen ist 24 Jahre alt und lebt mit ihrem trunksüchtigen Vater, einem pensionierten Polizisten, allein in einem verwahrlosten Haus. Ihre Arbeit in einer Art Gefängnis für minderjährige Straftäter besteht im Ordnen von Papieren und Überwachen der Besuchszeit, die für jeden Insassen sieben Minuten beträgt. Sie hat also Zeit, ihren eigenartigen sexuellen Phantasien nachzuhängen, die sich unter anderem um einen Arbeitskollegen drehen, mit dem sie nie ein Wort wechselt, vor dessen Haus sie aber ständig mit dem Auto vorbei fährt. Alles wird anders, als Rebecca, eine elegante rothaarige Harvard-Absolventin auftaucht. Ihr Geheimnis kann Eileen nie ganz aufdecken, aber es geht auch nicht darum, sondern um die Faszination, die von ihr ausgeht. Zum ersten Mal hat Eileen eine Freundin. So meint sie. Als Rebecca den massiven Missbrauch aufdeckt, der hinter dem Mord von Lee Polk, einem 15-jährigen Sträfling, an seinem Vater steckt und die mitschuldige Mutter in deren Haus im Keller fesselt, um sie zu bestrafen, kommt Eileen dazu. Sie heckt einen Plan aus, wie sie die Frau und ihren Vater loswerden könnte, Rebecca verschwindet jedoch nicht ganz unerwartet und lässt Eileen allein mit der verletzten und mit Tabletten bewusstlos gemachten Frau. Es kommt nicht überraschend, dass Eileen kaltblütig die Gelegenheit ergreift, aus ihrem armseligen und kaputten Leben zu entfliehen und Vater, Rebecca, ihren Job und den unschuldig eingesperrten Lee hinter sich lässt. Aus den Andeutungen der Erzählerin weiß man, dass ihr Leben danach nicht geradlinig verlaufen ist, jedoch hat sie zum Zeitpunkt, als sie ihre Geschichte erzählt, ein ausgeglichenes und zufriedenes Leben erreicht.