mobile Navigation Icon

#lesen.bayern » Bücher für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene » Besprechungen Belletristik » Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Helen Wolff: Hintergrund für Liebe

Besprechung

Autobiografische Erzählung einer Frau über die Eroberung des eigenen Lebens

Helene Mosel stammte aus einer verarmten Familie, konnte jedoch im Landschulheim Schondorf ihr Abitur machen und soziale Kontakte anbahnen, die später hilfreich waren. Zunächst arbeitete sie als Kindermädchen, dann im Verlag Kurt Wolff in München, der da seine beste Zeit längst hinter sich hatte. Hier setzt die Erzählung ein, die Reales mit Erfundenem und Verfremdetem mischt. Aus vielen Reisen, die Helene mit ihrem Chef Kurt Wolff und zunächst heimlichen Geliebten unternahm und mehreren Aufenthalten in Südfrankreich wird die Geschichte eines Sommers in Saint Tropez. Sie beginnt mit der Reise von München, das aus privaten wie politischen Gründen als zunehmend anstrengend empfunden wird, über Chambéry nach Nizza. Schon da gibt es einen Dissens: Der deutlich ältere Geliebte, im Text als „Du“ angesprochen, will in teuren Hotels übernachten, Helene ein Häuschen mieten, möglichst ein Idyll mit Brunnen, Zitronenbaum und Katze. In Nizza begegnet der bekannte Verleger einer schönen blonden Dame und anderen Personen, die ihn kennen und die sich dem Paar anschließen. Bald gibt es Streit, vor allem wegen der blonden Dame, Helene entflieht unter Hinterlassung eines Abschiedsbriefs mit der Eisenbahn. Mit Hilfe eines Bekannten gelangt sie in das Fischerdorf Saint Tropez, mietet sich ein Häuschen, wie sie es erträumt hat, richtet es ein und beginnt, sich aus dem ewigen „cherchez l'homme“ zu lösen und mit sich selbst zurecht zu kommen. Sie lernt aber auch nette Menschen kennen, die ihr dabei helfen, und als nach zwei Wochen der Geliebte auftaucht und einfach bei ihr einzieht, glaubt sie, es zulassen zu können, ohne ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Die Geschichte endet mit der gemeinsamen Rückreise Anfang November. In Wirklichkeit gab es viele Reisen nach Italien und Paris, dazwischen große Probleme mit der Auflösung zweier Verlage, dann, nach der endgültigen Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, die Emigration. Aus Helene Mosel wurde Helen Wolff, die mit ihrem Mann gemeinsam einen Verlag in New York gründete. Dank eines ausführlichen Essays der Großnichte Helen Wolffs erfährt man die Einzelheiten eines bewegten Lebens an der Seite eines Mannes, neben dem zu leben wohl nicht einfach war.

Didaktische Hinweise

Es gibt vielfältige Anknüpfungspunkte: zum Beispiel die vor allem seit Kafka offene Frage, ob man dem Wunsch eines Autors, sein Werk zu vernichten, zuwiderhandeln darf („At my death, burn or throw away unread!“ stand auf dem dicken Umschlag, den die Großnichte fand), die Frage nach dem „Hintergrund“ der Liebe, die so in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts selten gestellt wurde, und die wechselvolle und folgenreiche Geschichte der Auswanderung der kulturellen Elite aus Deutschland in den 30er Jahren. Die Frage nach der Vereinbarkeit von leidenschaftlicher Liebe und geistiger Unabhängigkeit stellt sich, vor allem für Frauen, auch heute.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

FÜZ

  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2020

ISBN

9783938803967

Umfang

215 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book