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Andrea Fischer Schulthess: Motel Terminal

Besprechung

Drei Tage nach ihrem elften Geburtstag fängt Meret an, Tagebuch zu schreiben. Das erzählt sie im ersten Kapitel und auch, dass ihre Mutter nichts davon wissen darf. Das zweite Kapitel des Romanes lässt nichts Gutes ahnen: „28. Julie 2013, das Ende“. Erst vom Schluss des Romanes aus versteht man, dass die Mutter Nora zu ihrem toten Kind spricht.

Meret wurde von ihrer Mutter in einem Zimmer eines heruntergekommenen Motels eingeschlossen. Die einzige Person, die mit ihr Kontakt haben darf, ist Großtante Julie, die ihr nach von der Mutter streng vorgeschriebenem Plan durch eine Klappe Essen gibt. Für Julie, selbst isoliert, erledigt Nico, ein Botenjunge, Einkäufe. Nora zwingt Meret zu einem Arbeitsplan, der vor allem Mathematikaufgaben vorsieht. Zum Lesen bekommt sie Kapitel aus „Alice im Wunderland“ zugeteilt. Von der „Welt da draußen“ schirmt Nora ihr Kind ab und macht sie glauben, von dort komme nur Unheil. Meret beginnt dennoch und trotz ihrer großen Angst vor der Welt, Kontakt zu dem Jungen Nico aufzunehmen, als die Großtante stirbt und dessen Mutter die Betreuung übernehmen muss. Nora selbst lebt ein zweites Leben mit Stefan, der sich von ihr ein Kind wünscht. Nora hat ihm nichts von Meret erzählt und beabsichtigt die Beziehung abzubrechen, wenn sie Stefan nicht von seinem Kinderwunsch abbringen kann. Nach und nach erfährt der Leser, dass Nora im Jahr 1999 von ihrem Pflegevater, Pfarrer einer Freikirche, in dessen Familie das Jugendamt die 16-Jährige nach dem Tod ihres „Hippievaters“ schickte, missbraucht wurde und Meret aus dieser Beziehung entstammt. Als Meret mit Nicos Hilfe das Leben draußen kennenlernt und mühsam ihre bisher nutzlosen Beine trainiert, um endlich ein normales Leben zu beginnen, tötet Nora zuerst ihr Kind, am nächsten Tag, dem 29. Juli den Pflegevater - und wenige Tage später wird ihre Leiche in den Bergen gefunden.

Der Roman ist in kurze Kapitel eingeteilt, die statt einer Überschrift genaue Zeitangaben enthalten. Parallel zu Merets Erlebnissen und ihren Tagebuchaufzeichnungen erfährt man, wie Nora ihr Leben zwischen der Normalität mit Stefan und den Besuchen im Motel organisiert, wie sie sich in Gedanken mit dem Missbrauch in der Pflegefamilie rechtfertigt und wie Nico Verdacht schöpft und das Geheimnis entdeckt. Da meist aus Noras oder Merets Perspektive erzählt wird, die erst von Stefan und Nico in Frage gestellt wird, wird der Leser in die klaustrophobische Situation mit hinein-gezogen.

Didaktische Hinweise

Relativ aktueller Bezug ist der Fall Kampusch. Auch der Film „Room“ aus dem Jahr 2015 bietet sich zum Vergleich an. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die, von einem Mann entführt, missbraucht und in Gefangenschaft gehalten, ein Kind zur Welt bringt, mit dem sie fünf Jahre lang lebt, bis beiden die Flucht in eine für das Kind unbekannte Welt gelingt. Noras Name kann als Bezug zu Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ interpretiert werden. Noras Motivation – Liebe? Schizophrenie? Angst vor den staatlichen Institutionen? - und Schuld ist zu diskutieren. Erzählperspektive und -struktur, der geschickte Spannungsaufbau, können untersucht werden. Interessant ist die Frage, ob es sich um einen KriminalRomane handelt. Siehe hierzu Die ZEIT vom 2.6.2016, in der das Buch Platz 8 unter den 10 besten Krimis hielt.

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

Erscheinungsjahr

2016

ISBN

9783906195414

Umfang

257 Seiten

Medien

  • Buch