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Steven Uhly: Adams Fuge

Besprechung

„Ich hatte einmal einen echten Namen ...“ beginnt der erste Satz des Romans. Adem Özturk wuchs in Deutschland auf, wurde vom Vater mit seinen Geschwistern in die Türkei gebracht, nachdem die Mutter, der Prügeleien ihres Mannes überdrüssig, die Familie verlassen hatte. Dort herrscht die Art von Ordnung, die sich der Vater wünscht. Als er seine Tochter mit einem Teppichhändler verheiratet hat, stürzt sie wenig später vor den Augen des Bruders aus dem Fenster. Das ist der erste gewaltsame Tod, dem Adam beiwohnt. Auf Wunsch seines Vaters geht er zum Militär und nimmt an einem Einsatz gegen die Kurden teil. Er überlebt als einziger einen Überfall und tötet einen kurdischen Offizier. Damit löst er eine Handlungskette aus, die ihn zurück nach Deutschland zu seiner Mutter und deren neuer Familie, vor allem aber in einen Dschungel von politischen Ränkespielen, Identitätswechseln und blutigen Auseinandersetzungen führt. Adam erhält den Auftrag, die Leute zu finden, die hinter einem antitürkischen Computerspiel stecken. In Wirklichkeit versteht er bald nicht mehr, wer welche Rolle spielt und was die seine ist. Seine Brüder und sein Vater tauchen auf und verschwinden wieder. Der türkische Geheimdienst, die PKK, der CIA, der deutsche BND und Unternehmen, die hinter einer in dem Computerspiel versteckten Datei mit geheimen Informationen her sind, benutzen ihn als Spielball ihrer Interessen. Zwischen Realität und Alpträumen zu unterscheiden, fällt ihm zunehmend schwer, seine sexuelle Identität gerät ins Wanken, ganz zu schweigen von der moralischen. Dazwischen versinkt er in Erinnerungen an seine Mannheimer Jugend und trifft Greta, die er als seine Jugendliebe wiedererkennt. Auf die fugenartige Komposition weist der Titel hin, auch auf das aus den Fugen geratene Leben des Adem Öztürk/Adam Imp. Uhly selbst hat das Buch auch als eine Antwort auf Thilo Sarrazins fremdenfeindliches Buch „Deutschland schafft sich ab“ (2010) verstanden. Noch brisanter ist seit dem Erscheinen im September 2011 die Darstellung der Neonazi-Szene in Gestalt des als Hippie getarnten V-Mannes Harald geworden, der die Seite gewechselt hat. „Warum hast du lange Haare?“ fragt ihn Adem. „Und da erzählte Harald ihm, dass die Szene längst erkannt hatte, dass sie nicht so leicht wiedererkennbar sein durfte, wenn sie nicht nur aus der Mitte der Gesellschaft kommen, sondern auch in diese vordringen wollte“ (S. 56). Am Schluss des Romans glimmt doch noch ein Fünkchen Hoffnung auf, als Adem ein Ziel gefunden zu haben scheint: Greta ist schwanger.

Didaktische Hinweise

Die Erzählung folgt insgesamt der Chronologie der Handlung, zahlreiche zeitliche und geographische Sprünge sowie der häufige Wechsel von Perspektiven stören jedoch bewusst das Bedürfnis des Lesers nach Linearität. Thema des Unterrichts kann, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Musiklehrer, die „Fuge“ als Motiv und als Kompositionsmuster sein. Die aktuellen Bezüge geben sicher Anlässe zu Diskussionen. Ein Interview dazu ist zu finden bei der Deutschen Welle unter: www.dw-world.de/dw/article/0,,15620004,00.html. Die Lektüre als Ganzschrift ist zu empfehlen. Allerdings muss hierbei pädagogisch behutsam mit den äußerst grausamen Szenen des Buches umgegangen werden. Der Münchner Autor hat den Tukan-Preis erhalten. Interessant auch: www.tagesschau.de/kultur/adamsfuge100.html.

Alle hier rezensierten Werke von Steven Uhly

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Musik

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783905951080

Umfang

228 Seiten

Medien

  • Buch