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Irena Brezna: Die undankbare Fremde

Besprechung

Die Autorin lebt schon lange in der Schweiz und schreibt auf Deutsch. Ihre Geschichte ist die einer jungen Frau, die mit ihrer Familie in die Schweiz emigrierte, weil in ihrem Land gerade eine Diktatur wiederhergestellt wird. Ihr Name wird verstümmelt und sie kann eigentlich den Optimismus der Mutter, die sich über das „viele Licht“ freut, nicht teilen. Als sie aber gefragt wird, an was sie glaube, sagt sie: „An eine bessere Welt.“ Diese kleine Szene bildet den Rahmen der kurzen Erzählung, am Schluss sagt den Satz ein anderes Mädchen, das in die Fremde kommt. Dazwischen passiert nicht viel Handlung: die Ich-Erzählerin befreundet sich in der Flüchtlingsunterkunft mit Mara, die sich mit dem Leben auskennt, für sie klaut und ins Gefängnis kommt. Es wechseln sich kursiv gesetzte Textabschnitte, die Szenen in einer psychiatrischen Klinik schildern, ab mit der Erzählung des Lebens im neuen, fremden, befremdlich ordentlichen und geregelten Land und dem Integrationsprozess, den die offizielle Einbürgerungsprozedur beschließt. Es ist ein ironisches, oft wenig freundliches Bild, das die Autorin von der Schweiz zeichnet, wenn es zum Beispiel heißt, die Schweizer benutzten ihre Liebeserklärung „I ha di gärn“ auch für Müsli. Ein wenig klischeehaft ist das, vieles stimmt andererseits ja auch für andere mitteleuropäische Länder. Am Anfang ist die Fremdheit groß, die Hauptfigur vermisst die Heimat und versteht nicht, was es bedeuten soll, in einem Land zu leben, in dem die Menschenrechte respektiert werden, weil ihr Bruder sie genauso verprügelt wie zu Hause. Sie zieht aus, erlebt mit Mara die neue Kultur und arbeitet, offenbar viel später, denn sie vermittelt aus drei Sprachen, als Dolmetscherin in einer psychiatrischen Klinik, in die Flüchtlinge eingewiesen werden, die sich gegen die Abschiebung gewehrt haben. Immer wieder ist sie dabei versucht, der wichtigsten Regel der Leiterin des Dolmetscherdienstes „Nur vermitteln, nicht eingreifen“ zuwider zu handeln und die Aussagen der Flüchtlinge, die in der Psychiatrie gelandet sind, zu deren Gunsten verändert wiederzugeben und zwischen kulturell unterschiedlich geprägten Parteien zu vermitteln. Schöne und wahre Sätze über Sprache und ihre Bedeutung durchziehen das Buch: „Sei eine Sprachfähre“, „Sprachen sind Wesen“ , „Auf meiner Zunge bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück, auf der Zunge, die der Lüge ein Sprachkleid verpassen muss“. Die Möglichkeit einer freundlicheren Sicht auf das neue Leben deutet sich am Ende an: „Kulturen (sind) farbige Stoffe, verhandelbar.“ Die Erzählung endet etwas unvermittelt, als Mara bei einem Unfall umkommt: „Eines Tages begleitete mich Mara nicht mehr.“

Didaktische Hinweise

Es gibt die Themen Fremdheit, Exil, Sprache, an denen man die lohnende Lektüre orientieren kann. Eine gewisse Diskrepanz zwischen der Reife der Reflexionen und dem Alter der Migrantin fällt auf. Die Verbindung von Inhalt und Erzählform, die Erzählperspektive – es reflektiert ein rückblickendes Ich die Erlebnisse der jungen Ich-Erzählerin - und die Rolle der Figur Mara kann man problematisieren. Auch als e-book erhältlich.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783869710525

Umfang

141 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book