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Germán Kratochwil: Scherbengericht

Besprechung

Der Austroargentinier Kratochwil lässt verschiedene Generationen zur Jahrtausendwende (und gleichzeitig zum 90. Geburtstag der Matriarchin) in Patagonien zusammenkommen. Wir treffen Auswanderer, Emigranten, Einheimische, Nazis neben jüdischen Überlebenden.

Die Jubilarin stammt aus Wien, gibt sich weit vornehmer und herrschaftlicher, als sie eigentlich ist, und hat durchaus noch Sympathien für die glänzenden Zeiten, die 1945 ihr Ende fanden. Ihren Enkeln mit der jüdischen Mutter steht sie eher distanziert gegenüber, auf ihren Sohn Martin ist sie wohl stolz, wenn sie ihn auch als eher schwachen Nachkommen sieht. Dieser Martin Holberg, Sozialwissenschaftler, verkörpert die Zwischengeneration. Jahrelang ist er nicht ohne Erfolg für nachhaltige Entwicklungsarbeit, Minderheitenschutz etc. tätig gewesen, nach dem Tod seiner Frau und massiven Problemen mit den erwachsenen Kindern Katha und Gabriel erscheint er jedoch resigniert und desillusioniert. Entsprechend stagniert auch sein Vermittlungsversuch mit den Mapuche, die energisch ihre Rechte gegenüber einem großen Konzern einfordern. Ein Halt ist ihm immerhin der greise Analytiker Elias Königsberg, auch er ein Sommergast auf dem Landgut in den Kordilleren, das Hauptort der Handlung ist. Königsberg allerdings scheitert beim Schreiben seiner Erinnerungen, vor den schlimmen Ereignissen nach seiner schönen Jugendzeit in Fürth schreckt er zurück. Er, seine Frau und ihre jungen Verwandten aus Israel stehen für die Opfer, aber auch die (zumindest geistigen) Täter finden sich unter dem Lindenbaum ein, ein uralter Verehrer des Geburtstagskindes und nicht zuletzt dieses selbst. Die junge Generation tut sich schwer mit dem Leben: Katha hat den Tod der Mutter nicht verkraftet und schlingert, psychotisch und hysterisch, ständig nah am Abgrund. Gabriels Aversionen gegen den Vater haben ihn zu Drogen und zur seltsamen Sekte der Schaler gebracht; seine Wut entlädt sich bei der Geburtstagsfeier, deren tragischer Höhepunkt der Selbstmord des einst aus Südtirol eingewanderten Hofbesitzers Trigo wird. Ein ungewöhnlicher Schauplatz, Figurenkonstellationen und Probleme, Gegenwart und Vergangenheit werden kunstvoll verknüpft. Das Buch stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2012.

Didaktische Hinweise

Als Klassenlektüre ist das Buch wohl weniger geeignet, als Thema für Projekte und schriftliche Arbeiten jedoch denkbar. Als Fragestellungen bieten sich an: - Erstellen Sie ein Glossar zu den geographischen, historischen und ethnologischen Aspekten des Buches.- Beschreiben Sie die familiären Konstellationen innerhalb des Romanes. - Die Angehörigen der verschiedenen Generationen, die hier beschrieben werden, unterscheiden sich stark. Ordnen Sie zu Altersgruppen und beschreiben Sie deren Mitglieder. - Interpretieren Sie den Titel. (Beispiele: Hier findet kein „Scherbengericht“ statt, man muss sich gegenseitig ertragen./Es ist über jeden gesprochen und besteht in Einsamkeit, Rückzug, Verweigerung etc.)

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2012

ISBN

9783854526827

Umfang

310 Seiten

Medien

  • Buch