Agnes Hammer: Herz, klopf!

Besprechung

Düsseldorf ist im Ausnahmezustand: Ausgelassene Jecken tanzen durch die Straßen, während die dreizehnjährige, unscheinbare Franka von ihrer dubiosen Internetbekanntschaft entführt und in einem dunklen, modrigen Erdloch gefangen gehalten wird. Ihre Freundin Lissy, die ohnehin zahlreiche Probleme am Hals hat, begibt sich auf die Suche nach ihr, völlig ahnungslos, dass der psychisch kranke „Erlkönig“ aus dem Internet inzwischen auch hinter ihr her ist. Die Freundinnen Lissy und Franka leben am unteren Rand der Gesellschaft und haben beide mit Armut, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und den Auswirkungen ihrer zerbrochenen Familien zu kämpfen. Während die literaturbegeisterte Franka verschlossen ist und sogar wegen ihrer Andersartigkeit von den Mitschülern gehänselt wird, ist Lissy ein scheinbar unverletzliches Alphatier, das sich vom Leben nimmt, was ihr zusteht – wenn es sein muss, auch mit Gewalt und gegen jegliches Gesetz. Die Folgen davon sind Hausverbot bei der Drogeriemarktkette Müller, Gerichtstermine und die selbstauferlegte Teilnahme an diversen Selbsthilfegruppen. Die notorische Schulschwänzerin muss sich nicht nur um ihren auf der Straße lebenden Alkoholiker-Vater sorgen, sondern auch um die arbeitslose, kaufsüchtige und mit der Erziehung ihrer Tochter eindeutig überforderte Mutter. Kummer bereitet ihr auch der türkische Ex-Freund Can, der aus verletztem Stolz einen Nacktfilm von ihr an sämtliche Freunde und Bekannte versendet. Niemand scheint ihr in Sachen Franka Gehör zu schenken, weder die Polizeibeamtin Sager noch der Sozialarbeiter, der für sie zuständig ist. Also ermittelt sie auf eigene Faust und begibt sich mutig und selbstbewusst auf die Suche nach ihrer entführten Freundin, durch welche sich die Protagonistin selbst in große Gefahr begibt und schließlich über sich selbst hinauswächst. Bis zur letzten Seite gönnt der spannende Romane dem Lesenden keine ruhige Minute. Eindrucksvoll gelingt es Agnes Hammer den seelischen Zustand ihrer Hauptfigur bildhaft darzustellen: „Das Tier erhob sich, den Pelz gesträubt und die Hauer voller Geifer. Es sprang gegen Lissys Rippen, es knurrte, es wollte heraus.“ Die Handlung des Romanes ist vielschichtig und entwickelt ein unglaubliches Tempo. Ohne plakativ zu wirken, werden viele Problematiken, wie die Kaufsucht der Mutter, die ungewollte Schwangerschaften oder der Kindesmissbrauch beleuchtet. Ein Buch, das man gelesen haben muss.