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Thomas Lang: Freinacht

Besprechung

Der Roman „Freinacht“ von Thomas Lang beruht auf einem echten Fall. Entstanden ist er als literarisches Internet-Projekt, bei dem auch Schülerinnen und Schüler mitgeschrieben haben, was insofern interessant ist, da es sich bei der Protagonistin des Romans um die 16-jährige Realschülerin Ellen handelt, die in Vierweg, einem fiktiven Ort irgendwo in der Provinz, lebt. Ellen will ihren 16. Geburtstag feiern, als Ort für ihre Party wählt sie ein heruntergekommenes Bahngelände, ihre Mutter befindet sich zum Zeitpunkt der Party mit ihrem neuen Liebhaber im Urlaub. Das Problem ist, dass am gleichen Abend noch eine Geburtstagsparty von einer äußerst attraktiven und beliebten Klassenkameradin von Ellen stattfindet, sodass schlussendlich nur drei Jugendliche zusammen mit Ellen feiern. Es handelt sich um Junis, Ellens besten Freund, Dennis, eine Mitschüler, der schon öfters durch kriminelle Taten in der Schule aufgefallen ist, und Valentin, genannt Vale, der Sohn eines örtlichen Bauern. Die Party findet in der sogenannten Freinacht statt, der Nacht auf den 1. Mai, es ist kalt und die vier dröhnen sich mit lauter Musik und Wodka zu, bis die ganze Situation eskaliert: Dennis findet in dem angrenzenden Waldstück die Leiche eines Mannes, der sich vor ein paar Monaten das Leben genommen hat, die er auf das Bahngelände schleppt. Sturzbetrunken und unglaublich aggressiv schlagen die vier Jugendlichen auf den toten Körper ein. Das Opfer trägt eine Halskette mit dem Namen „Frank.“ Es folgt der Tag des Erwachens und die vier werden sich der Geschehnisse der Nacht bewusst. Nachdem Dennis, der die Tat gefilmt hat, Videos von der Leichenschändung im Internet gepostet hat, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihre Tat entdeckt wird. Während Junis am Tag danach noch einmal zum Bahngelände zurückkehrt, um alle Spuren zu beseitigen, plagen Ellen schwere Schuldgefühle. Sie wendet sich schließlich an den Vertrauenslehrer ihrer Schule, der ihr rät, zur Polizei zu gehen, was sie auch tut. Es bleibt Ellen nichts anderes übrig, als die anderen zu verraten. Die Polizei räumt das Bahngelände, die Leiche wird entdeckt und die Menschen in Vierweg können es nicht fassen, zu welcher Brutalität die Jugendlichen in der Lage waren. Auch die Presse befasst sich intensiv mit der Tat und ihrem möglichen Hintergrund. Schließlich kommt es zur Gerichtsverhandlung. Junis, Dennis und Ellen werden wegen Störung der Totenruhe verurteilt, Vale wird nicht belangt, weil er zur Tatzeit jünger als 14 Jahre alt und damit strafunmündig war. Ein klares Motiv kann das Gericht nicht ausmachen, die Richter gehen aber von gruppendynamischen Prozessen, alkoholbedingter Enthemmtheit sowie einer Verrohung aufgrund von Gewaltvideos aus. Soweit die äußere Handlung des Romans. Leider bleibt die vom Verlag auf dem Klappentext angekündigte gesellschaftliche Dimension des Romans über Ziellosigkeit, Verantwortung, Schuld und Sühne etwas stecken. Die Figuren bleiben insgesamt blass und sind einfach gestrickt, ihr Handeln im weiteren Verlauf des Romans ist für den Leser nicht immer ganz nachvollziehbar. Während Ellen von Franks Stimme verfolgt wird, dringt Vale in die verwahrloste Wohnung von Frank ein, indem er das Polizeisiegel aufbricht. Dennis scheint aus der Sache nichts gelernt zu haben. Juris, wird von seinen reichen Eltern geschützt.

Didaktische Hinweise

Bei „Freinacht“ handelt es sich sicherlich um einen Roman, der den einen oder anderen zu fesseln vermag. Als Schullektüre muss man sich jedoch fragen, ob der drastisch geschilderte Gewaltexzess es wert ist, den Roman zusammen mit den Schülerinnen und Schülern im Unterricht gewinnbringend zu behandeln, zumal der Text dann eben nicht über die gesellschaftliche und psychologische Tiefe verfügt, die ihn für den Unterricht ergiebig machen. Die großen Themen: Verantwortung, Schuld und Sühne sind zu wenig ausgestaltet. Die Tat der Jugendlichen ist nur schwer erträglich, dem Urteilsspruch ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Interessant mag hingegen noch der Entstehungsprozess des Romans sein: Es handelt sich, wie der Autor am Ende des Romans (vgl. S. 327ff) darlegt, um ein Internetprojekt, bei dem der Autor den Versuch startete, den „Social Media-Aspekt des Web 2.0“ für sein Schreiben experimentell zu nutzen“ (S. 327). Interessiere Leserinnen und Leser des Romans, der damals noch den Arbeitstitel „Der gefundene Tod“ trug, konnten die Entstehung der Geschichte kommentieren und eigene Ideen und Textentwürfe beisteuern. Auch Schülerinnen und Schüler waren an dem Projekt beteiligt. Die gemeinsame Arbeit an einem Text lässt sich auch im Unterricht zusammen mit den Schülerinnen und Schülern durchführen. Hier sind die Tools ZumPad oder Etherpad hilfreich. 

Gattung

  • All Age

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Medienbildung/Digitale Bildung
  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2019

ISBN

9783827014009

Umfang

336 Seiten

Medien

  • Buch