mobile Navigation Icon

Mathias Enard: Zone

Besprechung

Der in Frankreich 2008 erschienene und preisgekrönte Romane lässt in einem einzigen Satz, quasi ohne Atem zu holen, auf fast 600 Seiten während einer Reise im Zug von Mailand nach Rom den Protagonisten Francis Servain Mirković seine Geschichte erzählen. Im Gepäck hat er ein Dossier mit Namen zahlloser Protagonisten der Kriege um das Mittelmeer, die er an den Vatikan verkaufen will, wobei nie ganz klar wird, was er sich davon erwartet – ein Urteil im Vorgriff auf das Jüngste Gericht vielleicht. Francis selbst, der sich die Identität eines in der Psychiatrie versunkenen Schulkameraden verschafft hat, war 15 Jahre Agent des französischen Geheimdienstes und zuvor, vorgeblich seiner in Frankreich lebenden kroatischen Mutter zuliebe, Teilnehmer des kroatischen sogenannten Unabhängigkeitskrieges. Die ganze Brutalität und Inhumanität jeden Krieges, angefangen mit dem Ersten Weltkrieg, erscheint in diesen 24 „Gesängen“, anklingend an die Ilias, ohne dass moralische Urteile gefällt würden. Lediglich die drei Frauen in Francis Leben, von denen gerade Stephanie, die selbst Agentin ist, ihn als Monster bezeichnete und das gemeinsame Kind abtreiben ließ, spiegeln das Leben des Protagonisten vor dem Hintergrund einer Art von „Normalität“. Mathias Enard hat 2003 in „La perfection du tir“ (noch nicht ins Deutsche übersetzt), lange vor Jonathan Littell, ein Psychogramm des Kämpfers geschrieben. Der Krieg wird gezeigt als eine Maschinerie, die, sobald sie angelaufen ist, den einzelnen verschlingt und seine Werte außer Kraft setzt. Das Ziel, möglichst perfekt Menschen zu töten, schließt so etwas wie Mitgefühl oder auch nur Wahrnehmung des anderen als menschliches Wesen aus. Insofern sind alle Kriege gleich. Die Kritik wirft Littell wie Enard vor, den Krieg als etwas nicht Umgehbares darzustellen und dabei keine Unterschiede zwischen Tätern zu Opfern zu machen. Im Grunde ist die Disposition des Menschen – des Mannes? - zum Schlächter zu werden das Thema. Schwer dem etwas entgegenzuhalten. Erst das Ende der Welt kann dem abhelfen: „une dernière clope avant la fin du monde“ - so endet das Buch. Die Übersetzer haben dankenswerterweise die zahlreichen Anspielungen und Verweise in einem Anhang erklärt.

Didaktische Hinweise

Der Titel des Romanes spielt auf das Gedicht gleichen Namens von Apollinaire an, die Bezüge zur Ilias und anderen literarischen Werken sind vielfältig, bis hin zu bestimmten Sprachrhythmen, hier könnten Themen für Referate oder eine Seminararbeit liegen. Die Sprache und der teilweise Verzicht auf Interpunktion lassen an den Takt des Zuges, der über die Gleisschwellen rattert, denken. Die Übersetzung gibt diesen Rhythmus sehr gut wieder. Das Motiv des „âge d'homme“, in der Übersetzung „Mannesalter“, zieht sich durch den Roman und könnte thematisiert werden. Der „Kriegsroman“ als Genre, zum Beispiel im Vergleich mit Remarques „Im Westen nichts Neues“ ist ein großes Thema. Der Reise-Romane von Michel Butor „La Modification“ bewegt sich auf buchstäblich denselben Gleisen nach Rom, behandelt ein verwandtes Thema und experimentiert mit der Erzählform des „vous“, spricht also den Leser direkt an. Die fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele „Sprachliche Bildung“ sowie „Politische Bildung“ lassen sich durch dieses Buch thematisieren.

Alle hier rezensierten Werke von Mathias Enard

Gattung

  • Romane

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Französisch

Erscheinungsjahr

2010

ISBN

9783827008862

Umfang

598 Seiten

Medien

  • Buch