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David Mazzucchelli: Asterios Polyp

Besprechung

Asterios, 1950 geboren, nach den Asteroiden oder Sternen benannt, die aus galaktischen Katastrophen entstehen und manchmal als Meteoriten auf die Erde fallen, ist das Kind griechischer Einwanderer. Sein Zwillingsbruder Ignazio kam tot auf die Welt. Mit seinem Bild von diesem Alter Ego unterhält er sich immer wieder. Er ist Architekt, sehr von sich selbst überzeugt, hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen und ein berühmtes Werk verfasst, aber nie wurde eines seiner Gebäude realisiert. Er unterrichtet in Ithaca, Upstate New York, an einer Hochschule und hat eine Wohnung in New York. Eine japanische Kunststudentin verliebt sich in ihn, er heiratet sie, sie verlässt ihn, nachdem sie, eine begabte Bildhauerin, mit einem Choreographen bei seiner neuen Produktion „Orpheus (Underground)“ zusammen gearbeitet hat, der ebenso von sich eingenommen ist wie Asterios. Asterios lässt sich gehen, müllt seine chice Designer-Wohnung zu, die durch einen Blitzeinschlag an seinem 50. Geburtstag ausbrennt. Obdach- und besitzlos nimmt er für das letzte Geld, das er bei sich trägt, einen Bus und sucht sich am Zielort einen Job als Automechaniker. Er hat Glück und kann bei seinem Chef und dessen Familie ein Zimmer mieten. Er freundet sich mit dem etwas dümmlichen Stiff Major (genial übertragen dessen sprachliche Tolpatschigkeiten), seiner Hippie-Frau und dem kleinen Sohn an. Der alte Zyniker, der seiner Frau ständig seine Überlegenheit zeigen musste, backt Pfannkuchen zum Frühstück und baut mit Stiff ein Baumhaus. Bei einer Schlägerei wird ihm ein Auge ausgeschlagen – hier löst sich das Rätsel von dem bei der Einwanderung verstümmelten Familennamen: Polyp(phem). Nach einiger Zeit baut Asterios Stiffs Solar-Auto aus und verlässt den Ort. Dummerweise gerät er in einen Schneesturm und das Auto bleibt stehen. Er schlägt sich zu Fuß durch, klopft an einem einsamen Haus, und seine Ex-Frau öffnet ihm. Beide nähern sich einander gerade auf einer neuen Basis wieder an, als ein Asteroid oder Meteorit auf ihr Fleckchen Erde und das Haus zurast. Die glückliche kleine Familie des Automechanikers sieht ihn von Ferne als Sternschnuppe. Asterios Leben endet in einer Katastrophe, für die er dieses Mal nichts kann. Gezeichnet ist dieser Lebenslauf in Kapiteln, die jeweils von einer Vignette eingeleitet sind, die Erzählung ist nicht linear. Eine Art Vorspann bildet der Brand der New Yorker Wohnung im Jahr 2000, der damit einsetzende Erzählstrang wird von unwillkürlich sich an zufälligen Anlässen entzündenden Erinnerungen und Reflexionen unterbrochen. Mazzucchelli zeichnet die Menschen skizzenhaft, so wie sie auch angelegt sind: Asterios sieht wie ein Playmobilmännchen aus, Hana, seine Frau wie eine Manga-Figur. Aber die Szenen sind wie Bilder aus einem Film. Die Anordnung der Farben und der Panels auf der Seite sind variationsreich und nicht zufällig. So wird etwa mit Einblendungen gearbeitet, zum Beispiel ist Asterios Gesicht in Totale vor die heranrasenden Feuerwehrautos gesetzt, es erscheint ein Bild wie unter einer umgeblätterten Seite, die Sprechblase enthält einen der überheblichen Kommentare Asterios' oder eine Doppelseite illustriert Asterios' Denken in Abstraktionen. Die Bildchen zeigen meist mehr oder Zusätzliches zu den Sprechblasen oder Kommentartexten, die Wahl der Farben kennzeichnet Personen oder Lebensabschnitte. Der Leser und Betrachter ergänzt automatisch, was zwischen den Bildern entsteht. Eine echte Graphic Novel ist nicht nur die gezeichnete Version einer Erzählung. Mit einer Adaption von Paul Austers „City of Glass“ hat allerdings der Ruhm des zuvor als Zeichner von „Batman: Year One“ in Erscheinung getretenen Künstlers begonnen.

Didaktische Hinweise

Der Romane reiht sich in die großen Graphic Novels von Art Spielman, Jacques Tardi oder Marjane Satrapi ein. Auch leseferne Schülerinnen und Schüler können an die Lektüre herangeführt werden. Gerade junge Leute können mit der multimedialen Textform sicher sogar mehr anfangen als ihre Lehrer. Darüber hinaus gibt es viel zu entdecken: die zahlreichen Verweise auf die Mythologie, die verschiedenen Theorien des Asterios, die Gestaltungsmittel, ihre Beschreibung mit Hilfe von Fachbegriffen etc. Lesenswert dazu: Stephan Packard, Anatomie des Comics, Wallstein 2006.

Gattung

  • Comics, Comic-Romane, Graphic Novels

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Englisch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783821861302

Umfang

344 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book
  • Hörbuch