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Gerhard A. Wagner: Das geht auf keine Kuhhaut! – Redewendungen aus dem Mittelalter

Besprechung

Inspiriert von seinem Arbeitsplatz auf der Marksburg ob Braubach, der einzigen nie zerstörten Wehranlage aus dem 13.-15. Jhdt. am Mittelrhein, hat der Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung (gegr. 1899), Gerhard A. Wagner (*1954), etwa 300 Redewendungen in einem handlichen Band zusammengefasst, um Lehrkräften der Fächer Deutsch und Geschichte, aber auch burgen- und kulturgeschichtlich interessierten Zeitgenossen einen attraktiven Zugang zu Bildern aus dem Sprachschatz des 13.-19. Jhdts. zu vermitteln, mit denen man – ganz nebenbei – einen Rundgang durch Burgen, Schlösser und Städte für Jugendliche und Erwachsene sehr anschaulich gestalten kann. Was für Engländer die idiomatischen Redewendungen, für Franzosen die gallicismes et locutions sind, sind auch im Deutschen in der Regel bildhafte Ausdrücke, die nicht durch eine Informationstechnologie quasi automatisch und wörtlich übersetzt werden können. Gerhard A. Wagner führt den Leser in seinem gut illustrierten Band in eine Begriffswelt quer durchs Alphabet zwischen „abblitzen“ und „in der Zwickmühle stecken“, gegliedert in Wortfeldkapitel zwischen ritterlichem Wortschatz, Vorbildern aus der Rechtspraxis, kirchlich-theologischen Anklängen oder einer Sprachpraxis im Umfeld von Handwerk, Handel und Gewerbe, um abschließend Redewendungen zu erklären, die zwischen „Maulaffen und Brotkörben“ Häusliches und Alltägliches beschreiben helfen. Es geht dem Autor nicht darum, bekannte Wörterbücher der deutschen Idiomatik zu ersetzen, sondern Sprichwörter und Redensarten vor dem Aussterben zu bewahren, deren korrekte Deutung bei der Lektüre historischer Romanee, bei einem Burgen-, Schloss- und Museumsbesuch hilfreich sind, um sich ein Verständnis für vergangene Epochen auch aus dem Überleben einer Wort- und Begriffswahl zu erarbeiten. Floskeln, Redewendungen und Sprüche, die sich seit dem Mittelalter eingebürgert haben, können anhand dieses überschaubaren Nachschlagewerks leicht erschlossen werden. Gerhard A. Wagner bietet damit für den deutschen Sprach- und Literaturunterricht sowie für lebensweltliche Bezüge des Faches Geschichte sehr gute Anregungen und trägt dazu bei, unseren Schülern und ihren Familien historische Gebäude, Monumente und (Sprach-)Denkmale leicht verständlich nahe zu bringen. Der Rezensent vermisst leider Begrifflichkeiten aus dem Jiddischen, der Alltagssprache der Juden in Mitteleuropa, die bis heute aktiv verwendet werden (Bsp. Meschpoke, meschugge, Schlamassel, mogeln, Schmiere oder Stuß). Ebenso schmerzlich wird das Fehlen von Begriffen aus dem Kauder- oder Rotwelschen empfunden, der Bettler-, Dirnen-, Gaukler-, Gauner- und Vagantensprache vom Mittelalter bis heute, deren Gebrauchsvarianten in der Duden-Ausgabe (2003) noch einige Dutzend Einträge gewidmet sind und deren Kenntnis bei landes- und lokalgeschichtlichen Projekten, aber auch für das Verständnis zahlreicher politischer Lieder nützlich ist: zwischen „acheln“, „(aus-) baldovern“, „Gekasper“, „Knacki“, „kneifen“, „Schacher“, „Raibach“, „Schickse“, „Stenz“, „Sieh-dich-für-Viertel“, „Zaster“ und „Zwickel“ könnte ein Betreuer von Reise- und Besuchergruppen zwischen Elbe und Rhein, Neckar und Donau ebenso fündig werden wie der Deutsch- und Geschichtslehrer – „Hopfen und Malz ist (auch in dieser Hinsicht) nicht verloren!“ Fachübergreifend lohnt auch der Blick ins Französische (argot) oder ins Englische (cant). Neben den knappen Übersetzungen der vom Autor aufgelisteten Redewendungen sind es vor allem seine praktischen Kommentare, die zum Blick über den Buchdeckel hinaus animieren – eine unterhaltsame, hilfreiche und anregende Lektüre, die für den Leser manche Überraschung birgt!

Didaktische Hinweise

Kulturelle Bildung; Sprachliche Bildung;

Gattung

  • Sachbücher

Sachbuchkategorie

  • Geschichte, Archäologie
  • Literatur, Lesen, Sprache

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 12

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783806224719

Umfang

160 Seiten

Medien

  • Buch