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Traute Petersen: Julia – Glanz und Tragik einer Kaisertochter

Besprechung

In ihrem anschaulichen historischen Roman – angesichts des knappen Umfangs könnte man auch von einer Geschichtserzählung sprechen – greift Traute Petersen (*1941) das Schicksal der Kaisertochter Julia (*39 v. Chr. – Freitod 14 n. Chr.) mit „Unmut und Mitgefühl“ auf und wählt dabei die Perspektive der Hauptfigur als Ich-Erzählerin: Kriminalistisch dechiffriert sie die dubios-verbrecherische Machenschaften, die in einem täterorientierten Geschichtsbild mündeten, das bis in die Gegenwart kaum ins Wanken gebracht wurde. Das Mitgefühl der Autorin gilt wenig beachteten oder gezielt dem Vergessen überantworteten Opfern antiker Regierungskriminalität, hier der Kaisertochter Julia und ihren Kindern. Traute Petersen, langjährige Vorsitzende des Verbands der Geschichtslehrer Deutschlands e. V. und ehemalige Leiterin der Geschichtslehrerausbildung in Schleswig-Holstein (Studienseminar Elmshorn), hat als promovierte Historikerin weiße Flecken der geschichtlichen Überlieferung über das Zeitalter des Augustus aufgedeckt, Hintergründe des sog. „Julia-Skandals“ entschlüsselt und ihr Geschichtsbild streng quellengestützt rekonstruiert. Alle handelnden Personen und erzählten Vorgänge sind historisch belegt. Der historische Roman setzt mit der Verbannung Julias nach Aufdeckung von Verschwörungsplänen ein, während ihr Vater Augustus sein 25-jähriges Regierungsjubiläum als „pater patriae“ feiert: Verbannungsort der Jahre 2 v. Chr. bis 5 n. Chr. ist die kleine Insel Pandateria (heute: Ventotene) vor der Küste Kampaniens, sturmumtostes Gefängnis für die „schamlose Ehebrecherin“ – krasser Gegenpol zum Glanz der kaiserlichen Villa zu Rom, ein Fall, wie er tiefer nicht sein konnte. Die Autorin beschreibt einfühlsam die Gedanken- und Gefühlswelt der verstoßenen Kaisertochter, ihre Hass- und Rachegefühle, die Sehnsucht nach Rom, nach ihren Kindern und Freunden, während es ihrem Vater ausschließlich darum geht, seine Macht und die Deutungshoheit über seine politischen Leistungen zu erhalten (vgl. Kap. IV und passim). Die flüssige Ich-Erzählung wird unterbrochen durch die Korrespondenz mit Gaius und Tiberius, die Julia erneut ins „Zwielicht der Macht“ (ver-) führt: Heiratspolitik, Sicherung der Alleinherrschaft durch den Vater über die Funktion des Pontifex Maximus (Oberpriester und oberster Sittenrichter), Absicherung der Herrschaft der eigenen gens, Klientelpolitik. Nach außen hin wird das ausschweifende Leben der Julia als Grund für das Zerwürfnis zwischen ihr und Augustus genannt. Traute Petersen arbeitet sehr differenzierend heraus, wie die innere Entwicklung des Prinzipats Julia zur Verschwörerin werden ließ: die Vermischung von Öffentlichem und Privatem, Bestechung durch Günstlingswesen, Geldgeschenke, „panem et circenses“-Aktionen, patriarchalische Despotie anstelle von (Bürger-)Freiheit, Spitzel- und Denunziantentum erzeugen einen Überwachungsstaat, denn – so Julia – „frei sprechen und denken darf in Rom nur, wer todessüchtig ist“. Der Disput zwischen Vater und Tochter eskaliert, als Julia mit der Feststellung provoziert: „Nur wo der Geist frei ist, ist auch der Staat frei!“ Am Tag nach der Einweihung des Augustus-Forums wird die Kaisertochter verbannt. Teil II des Romanes zeigt, wie sich die Hoffnung auf eine Rückkehr nach Rom zerschlägt, und widmet sich dem „künftigen Aufenthaltsort“ Rhegium (gr. Rhegion, heute Reggio di Calabria) an der Straße von Messina, quasi ein Verbannungsort auf dem Festland für die Jahre 5 bis 14 n. Chr., wo Julia zunächst Hoffnung auf eine Unterstützung ihrer Kinder hegt, schließlich „vatermörderische Wünsche“ und Hoffnung auf eine Regierungsübernahme durch Tiberius. Der Tod des Kaisers Augustus gibt Rätsel auf und heizt Gerüchte an, mehr noch der Tod des Agrippa – „ermordet auf kaiserlichen Befehl“. Ein Brief von Tiberius als „Erbe und Vollstrecker“ des Testaments macht Julia klar, dass auch ihre letzten Hoffnungen zerstieben: Die Verbannung der Kaisertochter Julia und deren gleichnamiger Tochter „soll in der bisherigen Form bestehen bleiben. Weder meine Tochter noch meine Enkelin sollen nach ihrem Tod in dem von mir erbauten Mausoleum beigesetzt werden“ – dies bedeutet erklärte Rache über den Tod hinaus. Ein weiteres Schreiben des Tiberius setzt Julia davon in Kenntnis, dass sie auch um ihre anteiligen Vermögenswerte durch Verfügung ihres Vaters gebracht sei. Und Tiberius verschärft den Status der Julia zusätzlich: Hausarrest, keine sozialen Kontakte, begrenzte Essensrationen sollen den Tod auf Raten bewirken, Gipfel der Intrigen gegen die Kaisertochter. Selbst ein Tiberius kann Julia nicht mehr hindern, sich von einem Leben in Unfreiheit durch eigenen Entschluss zu befreien – Freitod als Dokumentation der Freiheit? Zum besseren Verständnis runden das „Lesebändchen“ eine orientierende Zeittafel (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.), ein kommentiertes Personenverzeichnis (Aeneas – Vipsania), ein Glossar, ein Literaturverzeichnis und ein Auszug aus dem Stammbau des julisch-claudischen Kaiserhauses ab.

Didaktische Hinweise

Traute Petersens Roman bietet den an der augusteischen Epoche als „Goldenem Zeitalter“ interessierten Schüler*innen, Student*innen und Lehrkräften wertvolle Einblicke. Die Lektüre kann den Lateinunterricht ebenso beleben wie einen Projektunterricht im Fach Geschichte.

Gattung

  • Romane

Eignung

in Auszügen geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 12

Fächer

  • Geschichte
  • Latein

FÜZ

  • Kulturelle Bildung

Erscheinungsjahr

2010

ISBN

9783805342377

Umfang

184 Seiten

Medien

  • Buch