Herman Melville: Moby Dick oder Der Wal

Besprechung

Ismael, der bindungslose und sinnsuchende Ich-Erzähler, heuert mit dem Polynesier Quebec in Nantucket bei der „Pequod“, einem Walfängerschiff, an. Zuvo erläutert er genau seine Motive und die Umstände. Detailliert stellt er auch die verschiedenen Besatzungsmitglieder des Schiffes vor. Kapitän Ahab, vor dem er schon gewarnt wurde, zeigt sich erst nach einigen Tagen auf See. Es wird im Laufe der Zeit deutlich, dass dieser Jagd auf den legendären weißen Wal Moby Dick macht, in dem er die Ausgeburt alles Bösen sieht und dem er den Verlust seines Beines zuzuschreiben hat. Die Jagd auf die Wale, die zunächst sehr erfolgreich ist, dient also in Wirklichkeit nur der Suche nach Moby Dick. In ausführlichen Kapiteln wird über die Wale und den Walfang in enzyklopädischer Weise berichtet. Mystisch überhöht werden auch die Besatzungsmitglieder. Für denjenigen, der als Erster den weißen Wal sichtet, ist eine an den Hauptmast genagelte Golddublone ausgesetzt. Alle Zeichen deuten im Folgenden auf das Treffen mit dem Wal hin, sowohl Naturerscheinungen als auch das Verhalten von Ahab, der eine Harpunenspitze anfertigt. Schließlich trifft die Mannschaft der „Pequod“ auf Moby Dick. Eine dreitägige Jagd beginnt, während der ein Boot nach dem anderen zerstört wird. Ahab lässt nicht von der Jagd ab und findet schließlich seinen Tod, indem er von einem Harpunenseil unter Wasser in die Meerestiefe gezogen wird. Auch die „Pequod“ geht unter; nur der Erzähler überlebt, weil er sich mit Hilfe eines Sarges retten kann. Kapitän Ahab stellt eine prometheusähnliche Figur dar, angelehnt an Goethes Faust und Miltons Satan. Er bleibt als Charakter archetypisch schablonenhaft und synthetisch. Der Selbstverstümmelungsprozess der modernen Industriestaaten spiegelt sich im wahnhaften Kampf von Ahab paradigmatisch wider.