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Thomas Wolfe: Die Party bei den Jacks

Besprechung

Frederick Jack entstammt einer jüdischen Bankiersfamilie aus Koblenz. Er ist Ende 50 und erfolgreicher Banker in New York, wo er seit 40 Jahren lebt. Die Erinnerungen an seine Kindheit, mit denen der Romane beginnt, flößen ihm Angst und gleichzeitig Mitleid ein, mit den Dienstboten, den Verwandten, aber auch mit sich selbst als jüdisches Kind, von den Lehrern und Mitschülern gequält. Bei der Vorstellung von einem Treffen mit seinen ehemaligen Mitschülern wird er von plötzlicher Zuneigung übermannt. Anstatt ihnen von seinen Reichtümern vorzuschwärmen, möchte er sie nach ihren Sehnsüchten und Erfahrungen fragen, doch im Traum kann er nichts sagen, aus seinem Mund kommt statt der deutschen Muttersprache ein schlimmes Kauderwelsch. Frederick erwacht am Morgen des 2. Mai 1928 aus seinen Träumen, dem Tag der großen Einladung, die seine Frau und er geben. Es beginnt der chronologische Bericht eines Tages. Äußerlich mit viel Liebe zum Detail schildert Wolfe das riesige und luxuriöse Appartement der Familie Jack, vom cremeweißen Waschbecken über begehbare Kleiderschränke mit zig Variationen von Kleidungsstücken aus edlen Materialien bis schließlich zu den Speisen und Getränken, die eine Flotte von Dienstboten für die Party auftragen. Zwischen den Zeilen zeigt sich immer mehr die satirische Absicht. Jacks Frau Esther, von der man aus seinen Träumen bereits weiß, dass sie ihn betrügt, was, wie er sich im Wachzustand einredet, ihm nichts ausmacht, eine erfolgreiche Bühnenbildnerin, Anfang 40, auf einem Ohr fast taub, überwacht die Vorbereitungen für die Party und das Erscheinen der Gäste. Jack ist stolz auf seine erfolgreiche Frau, eine Ehe im eigentlichen Sinn führen sie nicht. Auch die beiden fast erwachsenen Kinder leben ihr eigenes Leben. Die Festlichkeiten werden fast ausschließlich aus der Sicht von Mrs Esther Jack oder ihren Gästen erzählt. Zwei Auftritten gilt besondere Aufmerksamkeit: dem des Piggy Logan, einer Art Animateur, der mit Drahtpuppen einen Zirkus vorführt, das Wohnzimmer der Jacks durcheinander bringt und gnadenlos scheitert, weil seine Drahtpuppen nicht tun, was er sich vorstellt. Wolfe porträtiert hier sehr boshaft Alexander Calder, der durch verspielte Mobiles bekannt wurde und mit seinem allerdings erst 1929 entstandenen Zirkus aus mechanisch funktionierenden Drahtfiguren Freunde unterhielt. Der andere Auftritt ist der von George Webber, einem Alter Ego des Autors, als junger Geliebter der Gastgeberin. In einer der letzten Szenen des Romans entflieht George, als letzter der Gäste, den schmachtenden Liebesschwüren seiner Geliebten. Thomas Wolfe hatte 1925 die 20 Jahre ältere Bühnen- und Kostümbildnerin Aline Bernstein kennengelernt und mit ihr eine Liebesaffäre begonnen. Die Party bei den Jacks ist ein Abbild ähnlicher gesellschaftlicher Ereignisse bei den schwerreichen Bernsteins. Wie Piggy haben zahlreiche andere Figuren unter den Gästen reale Vorbilder. Die Party endet, als in dem Wolkenkratzer, in dem sich die Wohnung der Jacks befindet, ein Brand ausbricht. Die Bewohner, von der Feuerwehr zum Verlassen des Hauses aufgerufen, stellen empört fest, dass der Aufzug nicht funktioniert und sie den Dienstbotenaufgang nehmen müssen. Sie versammeln sich im Innenhof und zeigen sich eher amüsiert als beunruhigt. Der Brandherd in einem unterirdischen Geschoß wird schließlich entdeckt, das Feuer gelöscht und die Bewohner kehren noch in der Nacht in ihre Wohnungen und Büros zurück. In einer weiteren kurzen Szene am Schluss wird der Portier des Hauses von der Polizei nach den einzigen Opfern des Brandes gefragt: John und Herbert, die Fahrstuhlführer, waren bei dem Versuch, die Herrschaften aus den oberen Stockwerken zu holen, erstickt. Wolfe zeichnet ein genaues und kritisches Bild der Gesellschaft. Die Symbolik des Oben und Unten im Motiv des Fahrstuhls und der Männer, die ihn bedienen, dient als Wendepunkt. Die eigentliche Schilderung der Party beginnt nach den Kapiteln „Das große Gebäude“ und „Die Fahrstuhlführer“ mit der Beschreibung der Sorgen, die sich Mrs Jack wegen ihrer Dienstboten macht: Molly, seit 20 Jahren Haushälterin bei den Jacks, trinkt, ein Kleid wurde gestohlen, die Köchin kann zwar kochen, ist aber dumm usw. Der Tod der Fahrstuhlführer wird in einer meisterhaften Mauerschau erzählt: ein Reporter diktiert die Meldung seiner Redaktion am Telefon. Die Szene spielt in einer Bar, in die sich die frierenden Evakuierten geflüchtet haben, aber niemand nimmt von dem Telefonat Notiz. Auch die Hybris der Wolkenkratzer New Yorks wird plastisch geschildert. Das leise Beben, das die Bewohner des Jack'schen Hauses manchmal spüren, kommt von der unterirdisch verlaufenden Eisenbahn und weist symbolisch auf kommende Umstürze hin. Der Romane spielt 1928, als sich der große Börsencrash bereits andeutete. Geschrieben hat Wolfe das Buch 1930 bis 1937. Im Jahr vor seinem Tod war er noch einmal in seine Heimat North Carolina zurückgekehrt und überarbeitete das Manuskript. Wegen des Umfangs seines Nachlasses wurde der Romane erst 1995 vollständig und weitgehend unbearbeitet editiert und erst jetzt ins Deutsche übersetzt.

Didaktische Hinweise

Der Romane bietet zahlreiche Themen: von der Komposition der „closey woven story“ (Th. Wolfe, 1937), die der Regel von der Einheit von Zeit, Ort und Handlung äußerlich folgt, über die Symbolik bis zu den stilistischen Merkmalen wie der wörtlichen oder paraphrasierenden Wiederholung oder den formelhaften Attributen, die den Personen wie bei Homer zugewiesen werden. Die historischen Hintergründe sind zu erforschen, die Biografie des Autors, seine Zeitgenossen, hier besonders der reale Alexander Calder (Film zum Zirkus: www.youtube.com/watch, die Architektur der Stadt und die Vorgeschichte des Börsencrashs von 1929.

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Englisch

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783717522348

Umfang

349 Seiten

Medien

  • Buch