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Eduard Mörike: Gedichte und Erzählungen

Besprechung

In der schönen Ausgabe der Manesse-Bibliothek präsentiert der Herausgeber zunächst eine sehr breite und gelungene Auswahl aus Mörikes Lyrik, die neben Bekanntem wie „Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte“ auch weniger Geläufiges. enthält. Sogar in den Idyllen wird gelegentlich Brüchiges und Abgründiges erfahrbar, vereinzelt werden auch Lobpreis und Nachdichtungen der Antike vorgestellt. Es folgen Auszüge aus der „Idylle vom Bodensee“ und aus „Maler Nolten“ (die Erzählung von Noltens Jugend, Orplid und die eingestreuten Sagen). Die Novellen und Märchen sind fast vollständig („Der Schatz“ und „Das Stuttgarter Hutzelmännlein“ in Auszügen) aufgenommen. Der Anhang enthält in sinnvoller Beschränkung notwendige Worterklärungen. Die Rechtschreibung ist behutsam den heute geltenden Regeln angepasst, wo als Interpretament nötig aber die ursprüngliche Interpunktion beibehalten. Koopmanns Nachwort, ursprünglich ein Aufsatz, entwirft ein neues Mörike-Bild, in dem der Dichter zum Jubiläumsjahr vom Klischee des verträumten schwäbischen Poeten befreit wird. „Der wahnsinnigen Existenzen in seinem Werk sind zu viele, als daß man ihn ungestraft zu den Idyllendichtern rechnen dürfte, aber umgekehrt bewegt er sich in seinen Nachdichtungen antiker Verse auf höchst graziöse Weise in einer bukolischen Umgebung, der alles Unheimliche, Zauberische und unheilbar Irrsinnige fehlt“ (S. 527). Mörike ist kein Epigone, Romantik durchdringt er distanzierend als Staffage. In seiner Erinnerungskunst betreibt er eine Zeitdiagnostik der Agonie des bürgerlichen Zeitalters, in der die Wahnsinnserscheinungen letztlich sozialer Natur sind. Das utopische Potential findet er in der poetisch heilen Welt der Antike als Gegenwelt und Kontrastbild und in allegorischen Phantasmagorien des Zukünftigen in der Vergangenheit, wie in der Orplid-Sage des „Maler Nolten“ nachzulesen ist. Mit diesen gefährdeten Idyllen findet sich Mörike in bester Gesellschaft mit Theodor Storm, Wilhelm Raabe, Adalbert Stifter und Gottfried Keller, mit deren aus Erinnerungskunst geschaffenen Utopien das 19. Jahrhundert schon um 1880 sein Ende findet. Der Band ist eine sehr lohnenswerte Anschaffung für die Kollegiaten- und Lehrerbücherei und die Hand des Liebhabers sowie mit dem Text- und Deutungsangebot eine gute Gelegenheit und dringliche Aufforderung, sich auf’s Neue mit Mörike zu beschäftigen und seine Gedichte und Erzählungen neu zu lesen.

Didaktische Hinweise

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2004

ISBN

9783717512943

Umfang

552 Seiten

Medien

  • Buch