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Patricia McCormick: Der Tiger in meinem Herzen

Besprechung

Die amerikanische Journalistin und Autorin Patricia McCormick hat sich auf realistische Romane für Jugendliche spezialisiert. Mit „Verkauft“ (2008) recherchierte sie zu der Situation von nepalesischen Mädchen, die in Indien zur Prostitution angeboten werden, in „Versehrt“ (2011) griff sie den Afghanistan-Krieg auf und zusammen mit Malala Yousafzai schrieb sie 2014 eine Biographie der jüngsten Friedensnobelpreisträgerin, „Malala. Mein Geschichte“. Dabei erzählt sie nach gründlicher Recherche vor Ort von Zuständen, die Jugendlichen in der westlichen Welt erst einmal sehr fremd erscheinen. Plastisch wird das Dargestellte dadurch, dass sie das Geschehen konsequent aus der Perspektive der erzählenden Helden wiedergibt. Das hat den Vorteil, dass die Leser sich hautnah in deren Leben einfühlen können, hat aber auch den Nachteil, dass sie über den Kontext nicht mehr erfahren, als der Held selbst weiß. Das ist bei „Der Tiger in meinem Herzen“ sehr wenig. Völlig überrumpelt war der kindliche Arn Chorn Pond von dem, was ihm und seinem Land nach der Machtübernahme der radiakl kommunistischen Roten Khmer in Kambodscha passiert ist. Und umso schrecklicher ist seine ausschnitthafte Sicht auf die Grausamkeiten, die ohne Erklärung, ja auch ohne Emotionen beschrieben werden. Arn merkt, dass er nur so überleben kann, wenn er sich selbst als lebendigen Toten gibt, der alles, was ihm an Schrecken widerfährt, widerstandslos, „wie ein Gras im Wind“ an sich vorbeiziehen lässt. Nach und nach wird er so selbst zum Täter und in seinem Herzen entsteht ein „Tiger“, der auch ihn töten lässt. Am Ende wird er von einem Amerikaner gerettet, der mehrere kambodschanische Kinder mit sich nimmt - eine Wendung, die sich schon in anderen Romanen McCormicks findet und die einen gewissen Paternalismus in sich birgt: Erst die Amerikaner als Vertreter eines demokratischen Westens können den Opfern in der „Dritten Welt“ helfen. Arn merkt aber auch noch nach seinem Umzug in die USA, dass es lange dauern wird, bevor er sich von seiner gewaltsamen Vergangenheit und von seinem Gefühlspanzer befreien kann. McCormick hat die Autobiographie von Arn fiktionalisiert, Bilder von Gewalt und Friedlichkeit durchziehen ihre Erzählung, der Erzählstil mit sehr kurzen, meist extrem schockierenden Sequenzen, entspricht dem dargestellten Charakter.

Didaktische Hinweise

McCormick hat das Verdienst, dass sie mit ihren engagierten Romanen den Finger auf unbekannte, ja tabuisierte Tatsachen in den Entwicklungsländern legt. Dieses Engagement setzt sie literarisch versiert in spannende Romane um. Mit dem vorliegenden Roman ist sie dabei sehr weit gegangen. Der Leser muss schon über eine gewisse Dickfelligkeit verfügen, um ihre Beschreibung des Kambodscha-Konflikts aushalten zu können: Entsetzen, Ekel, Erschrecken und emotionale Betroffenheit sind normale Reaktionen auch beim erwachsenen Leser und man sollte genau aufpassen, welchen Schülern man dieses Buch zumuten kann. Als Klassenlektüre wäre es deshalb nicht zu empfehlen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Jugendliche mit dem Beschriebenen angemessen umgehen kann. Gleichzeitig ist aber dafür zu sorgen, dass man Jugendliche mit diesem Buch nicht alleine lässt, sondern ihnen den historischen Hintergrund hinreichend erklärt und auch mit ihnen darüber spricht, was das Buch bei ihnen auslöst. Gerade im Vergleich mit der Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland ist die Darstellung dessen, was in Kambodscha passiert ist und was in diesem Land noch bis heute aufgearbeitet werden muss, ein spannendes Thema, das auch mit Jugendlichen besprochen werden sollte.

Gattung

  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 10

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geografie/Erdkunde
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2015

ISBN

9783596855803

Umfang

256 Seiten

Medien

  • Buch