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Monika Maron: Flugasche

Besprechung

Als sie eine Reportage über das Kraftwerk in B. schreiben soll, erlebt die junge Journalistin Josefa Nadler als Augenzeugin die katastrophalen, gesundheitsschädlichen Zustände im Kraftwerk von B. und in seiner Umgebung und gerät in Gewissenskonflikt, ob sie darüber in der üblichen harmonisierenden Art und Weise berichten darf oder vielmehr deutlich kritische Töne anschlagen muss. Sie entschließt sich zu einem mutigen Artikel und erlebt, mit welchen fadenscheinigen Methoden und Argumenten dessen Erscheinen verhindert wird. Obwohl sie von parteiinternen Stellen eine vorsichtige Rüge erhält, ist man trotzdem geneigt, der jungen Genossin nichts zu verübeln. Es gibt sogar in ihrer Redaktion Stimmen, die ihr prinzipiell Recht geben. Für Josefa allerdings wird das heuchlerische Verhalten des Apparates zum Anstoß, über sich und ihre Rolle in diesem Gesellschaftssystem nachzudenken, dessen dunkle Seiten gleichsam symbolisch durch die „Flugasche“ verkörpert werden, die sich in B. über die Frühlingslandschaft legt. Zunehmend beginnt sie, dem von ihr erwarteten gesellschaftlichen Verhalten eigene Gefühle und Wünsche entgegenzustellen. Als sie im naiven Glauben, vielleicht doch eine Veränderung herbeiführen zu können, einen Brief an die Regierungsorgane schreibt, in dem sie um Kenntnisnahme von den unmenschlichen Zuständen in B. und um deren Behebung bittet, wird ein Parteiordnungsverfahren gegen sie eingeleitet. Statt Wohlverhalten zu demonstrieren, gerät Josefas Rechtfertigungsrede eher zu einer Anklage. Durch ihr persönliches Verhalten treibt sie den Konflikt weiter auf die Spitze. Bevor die Nachricht von einem Parteiausschlussverfahren sie erreicht, beschließt sie von sich aus, den Journalistenberuf aufzugeben und sich damit nicht mehr an den Verschleierungspraktiken des Medienapparates zu beteiligen. Neben ihrer gesellschaftlichen Emanzipation bewirken die genannten Ereignisse auch eine Veränderung im Privatleben Josefas: Ihr langjähriger Freund vollzieht den Bruch mit ihr ausgerechnet in einer Phase, da sie diese Beziehung als intensiven Rückhalt zu begreifen begann. Das Buch endet mit der zwar hoffnungsvollen, aber etwas konstruiert wirkenden Notiz, dass das Kraftwerk in B. "unter Berücksichtigung der Gesundheit der Bürger von B. und unter Nichtberücksichtigung kurzfristiger volkswirtschaftlicher Vorteile" stillgelegt werden soll. Der Romane zeichnet das Bild eines Menschen im Umbruch: Josefa, die bisher offenbar unreflektiert am System partizipierte und dessen Vorteile genoss, sieht sich mit ihrer Verweigerung einer neuen Reihe von Problemen der Alltagswelt konfrontiert, für die eine Lösung nicht angedeutet wird: Welchen Beruf wird sie ausüben, wenn sie Fabrikarbeit ebenso ausschließt wie Mitarbeit in gehobenen Führungspositionen? Wie will sie, die allein erziehende Mutter, sich in Zukunft ihrem Sohn gegenüber verhalten, den sie im Verlauf der Handlung permanent vernachlässigt und abschiebt? In einigen Details erscheint die Perspektive der Parteigenossen nicht völlig abwegig: Josefa ist es gewohnt, ihren Stimmungen und Launen nachzuhängen. Frustrationen gibt sie sich hemmungslos hin, vergräbt sich mit Betäubungsmitteln den ganzen Tag über im Bett. Da es keinen gesellschaftsfreien Raum gibt, bleibt am Ende offen, wie Josefa nun zurechtkommen wird.

Didaktische Hinweise

Auch Geschichte, Sozialkunde.

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Geschichte

FÜZ

  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2002 (1981)

ISBN

9783596237845

Umfang

243 Seiten

Medien

  • Buch