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Luise Rist: Rosenwinkel

Besprechung

Frida hat gerade ihr Abitur gemacht, aber keine Lust wie alle ihre Klassenkameradinnen nach Australien oder Neuseeland als Aupair zu gehen. Etwas ziellos geht sie ins Schwimmbad, wo sie Anita trifft, mit der sie sich schnell anfreundet. Anita ist Roma und wohnt im „Rosenwinkel“, wo sich sonst nur noch Immigranten verschiedenster Nationen aufhalten. Frida hat keine Berührungsängste, auch als bei einer Party die anderen sie davor warnen, sich mit Anita einzulassen. Dann aber wird Anita ausgewiesen und Frida macht sich auf, um sie in Bosnien zu finden. Ein Road-Movie beginnt, bei dem sie sich in einen Bosnier verliebt, mit einem depressiven Kriegsbericht-Reporter durchs Land fährt und schließlich Anita in einem Lager für Roma wiedertrifft. Dramatisch spitzt sich die Handlung zu, als bei einer Hochzeit ein Feueranschlag auf die Roma verübt wird – an dem ausgerechnet Fridas bosnischer Freund beteiligt ist. Luise Rist hat selbst als Initiatorin des „Boat people-Projekts“ in Göttingen Erfahrungen mit der Arbeit mit Roma, sie trifft mit ihrem Roman ein heißes Thema in einer Zeit, in der die Diskussion darüber nicht abreißt, ob Roma aus dem Balkan tatsächlich verfolgt sind und Asyl in Deutschland beantragen dürfen oder ob sie einfach nur als „Wirtschaftsflüchtlinge“ ausgewiesen werden sollen wie so viele andere aus Bosnien, Serbien oder Albanien. Rist erklärt in einem Nachwort die Grundlagen der komplizierten Geschichte dieser Flüchtlinge, die im Laufe des Romans nicht immer ganz klar werden. Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema zeugt von Authentizität, so ist etwa das Mädchen auf dem Buchcover ein Vorbild für Anita, wenn auch deren Geschichte dann frei erfunden wurde. So verdienstvoll Rists Roman ist, so wichtig es ist, gerade die Stimme einer Autorin zu Wort kommen zu lassen, die von eigenem Erleben berichtet, so problematisch bleibt doch die literarische Gestaltung: Da treffen zu viele Zufälle aufeinander, zu viele Figuren bleiben psychologisch undurchschaubar, zu viele Klischees werden in einer „Damals-war-es-Friedrich“-Perspektive aufgegriffen, in der nur die Heldin und Helferin tolerant und offen, ihre Umgebung aber verabscheuenswürdig borniert erscheint. Der pädagogische Zeigefinger stört wohl nicht nur jugendliche Leserinnen und Leser. Auch der Folklorismus (vom guten Essen bis zur Schilderung der Hochzeit) ist eher störend wie auch die Darstellung von magischen Auftritten von Roma-Frauen, die an philo-ziganistische Idealisierungen erinnern. Ein interessantes Interview mit der Autorin findet sich bei Stadtradio Göttingen.

Didaktische Hinweise

Positiv zu bemerken ist, dass der Roman das Leben der Roma nicht immer verherrlicht, die Perspektive von Frida erlaubt es, auch Missverständnisse und Konflikte zwischen den Kulturen darzustellen. So findet Frida etwa die anachronistische Macho-Kultur und die Begeisterung von gleichaltrigen Mädchen, sich früh auf eine Hochzeit einzulassen, nur befremdlich. Das Lesen des Romans als Klassenlektüre empfiehlt sich wegen der literarischen Schwächen nicht, er kann aber für eine individuelle Lektüre eine Bereicherung in der aktuellen Diskussion um die Flüchtlinge darstellen.

Gattung

  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 9 bis 11

Fächer

  • Deutsch
  • Interkulturelle Erziehung
  • Sozialkunde/Politik und Gesellschaft
  • Zusätzliche Fächer (Fachunterricht)

FÜZ

  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2015

ISBN

9783570310113

Umfang

352 Seiten

Medien

  • Buch