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Anna Woltz: Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte

Besprechung

Der zwölfjährigen Felicia ist die Welt unter den Füßen weggebrochen. Denn die Eltern haben ihr und ihrer neunjährigen Schwester Bente ausgerechnet am Weihnachtsfeiertag eröffnet, dass sie ab jetzt getrennte Wege gehen und die Schwestern abwechselnd bei Mama und Papa leben werden. Leider hat Felicia, die die Eltern postwendend per Mail darüber informiert, ab jetzt Fitz genannt werden zu wollen, auch mit anhören müssen, dass ihre Mutter sich auf die töchterfreien Tage freut und endlich wieder sie selbst sein will. Das kann Fitz nicht verzeihen, ja, es macht sie so wütend, dass sie sich mit wasserfestem Edding einen schrecklichen Drei-Wörter-Satz ins Gesicht schreibt. Als die Schwestern zum ersten Mal in Papas neue Wohnung umziehen, überschlagen sich die Ereignisse. Papa und Bente fallen bei Glatteis vom Fahrrad und Bente verliert dabei eine Fingerkuppe. So sehen sich alle, auch Mama, im Krankenhaus wieder. Dort lernt Fitz den gutaussehenden 15-jährigen Adam, der wegen seines viel zu früh geborenen Bruders im Krankenhaus ist, und die am Herzen operierte zehnjährige Primula kennen und mögen. Beide reißen Fitz aus ihrer abgrundtiefen Verzweiflung und bringen sie zum Nachdenken. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Papa sich beim Fahrradsturz eine schwere innere Verletzung zugezogen hat, spürt Fitz, dass sie so weit kommen kann, sich mit der neuen Situation abzufinden. Manches in diesem Buch ist mitten aus dem Leben gegriffen, manches ganz schön extrem. Doch selbst die verrücktesten Einfälle wirken nicht an den Haaren herbeigezogen. Klischees werden nicht bedient, sondern gelegentlich ironisiert - so wie die Zusammenführung von Arzt und Krankenschwester .Anna Woltz schreibt in einer frischen, flotten Sprache, originell und treffend, manchmal auch lakonisch: "Der Aufzug hält auf jeder Etage und überall müssen Leute raus. Ich versuche, nicht auf den Anzug von dem Mädchen neben uns zu starren, aber das ist schwierig. Es ist eine Kreuzung aus einem Babyschlafanzug und so einem schwarz-weiß gestreiften Sträflingsanzug wie in Comics. Er ist einteilig, hat vorn einen Reißverschluss und scheint weich und flauschig. Sie sieht aus wie ein kriminelles Küken.„ (S. 47/48) “Doktor Mertens schaut uns an. Es ist offensichtlich, dass sie Wunden sehr viel interessanter findet als Kinder, aber das ist mir egal." (S. 136) Wenn der pubertierende Adam sich doch noch dazu überwindet, sein Brüderchen, das ihn mit dem Gesicht eines steinalten Mannes ansieht, anstelle der im Schneestau steckenden Eltern zu känguruen, beschreibt Anna Woltz dies ohne Pathos und gerade deshalb sehr berührend. Selbst die zarten Gefühle, die sich innerhalb weniger Stunden zwischen Fitz und Adam entwickeln, wirken kein bisschen aufgesetzt und kitschig. Darüber hinaus ist das Buch von Anfang bis Ende spannend und immer wieder auch sehr witzig.

Wie es zu seinem Untertitel kam und warum auf dem Cover mehrere bunte Kinderpflaster prangen, erschließt sich eher wenig. Aber das ist nicht so wichtig. Das Buch war in der Kategorie Kinderbuch für den Dt. Jugendliteraturpreis nominiert. Andrea Kluitmann hat es aus dem Niederländischen übersetzt.

Didaktische Hinweise

Wenn es im Budget drin ist, kann das Buch als Klassenlektüre gelesen werden. Es eignet sich aber vor allem auch zur individuellen Lektüre - z. B. in Kombination mit einem ebenso individuell bearbeiteten Lesetagebuch. Thematisiert werden können u. a. folgende Themen: Trennung der Eltern, familiäre Bindung, schlimme Gefühle, Vorurteile, erste Liebe.

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 4 bis 7

Fächer

  • Astronomie
  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Familien- und Sexualerziehung

FÜZ

  • Soziales Lernen

Erscheinungsjahr

2016

ISBN

9783551556769

Umfang

176 Seiten

Medien

  • Buch