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Sharon Dogar: Prinsengracht 263. Die bewegende Geschichte des Jungen, der Anne Frank liebte

Besprechung

Sharon Dogar unternimmt in dieser „fiktiven Geschichte auf Basis historischer Tatsachen“ das Wagnis, der Figur jenes jungen Juden Kontur zu verleihen, der im Tagebuch von Anne Frank als Peter van Daan erscheint, der einzige männliche Jugendliche im Versteck außer Annes Schwester Margot. Die Autorin ist sich der Schwierigkeiten ihres Tuns durchaus bewusst; sie meistert sie, indem sie den jungen Peter, seine Biographie als Fiktion weiterführend, im Rückblick aus der Krankenbaracke des KZs Mauthausen bis zu dessen Befreiung seine Zeit im Versteck in Holland noch einmal nacherleben und nacherzählen lässt. Das ermöglicht eine Innenschau auf den pubertierenden Peter, die dem Leser seine Gefühle und Gedanken - Angst, Aggressivität, Sehnsucht, Trauer, Verzweiflung und immer wieder Angst - anschaulich werden lässt. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung seiner Beziehung zu Anne, hin- und herpendelnd zwischen Ablehnung und starkem Hingezogensein. Die Hauptquelle der Autorin ist selbstverständlich das Tagebuch der Anne Frank; sie geht jedoch sehr behutsam mit dieser Quelle um. Darüber hinaus führt sie den Erzählstrang über den Zeitpunkt der Entdeckung der jüdischen Familien hinaus bis in den Mai 1945 fort. Insbesondere der Transport der beiden Familien nach Auschwitz, schonungslos realistisch vom Todeskandidaten Peter berichtet, ordnet die individuellen Schicksale von Annes und Peters Familien in den großen geschichtlichen Prozess des Holocaust ein. Der Band ist chronologisch aufgebaut: Die zirka 300 Seiten umfassende Chronik reicht vom Hinterhaus in Holland bis zu der Entdeckung des Verstecks und zum Abtransport. Der knappe Teil II führt in die Welt der Konzentrationslager und führt die Verelendung der Häftlinge und ihre Entmenschung zu bloßen „willenlosen Automaten“ in aller Drastik vor.Dennoch: Die Abschiedsworte von Vater Frank an Peter „Sei tapfer. Überlebe“ erhalten ihn in der Tat am Leben und sind ein Hoffnungsstrahl in all dem Elend. Der Peter des Romanes - im Unterschied zum „historischen“ Peter - erlebt und überlebt die Befreiung des Konzentrationslagers. Sein Tod kurz danach erhält von daher einen tieferen Sinn: Seine Geschichte ist in Worte gefasst, erzählt für alle Menschen, die Ohren haben zu hören.

Es ist ein kühnes Unterfangen, das die britische Autorin hier wagt, einen Bestseller durch die Veränderung der Perspektive neu zu beleuchten und zu ergänzen, ohne ihn zu beschädigen, aber ein rundum gelungenes.

Didaktische Hinweise

Der Titel ist bei Projektarbeiten über die einschlägigen Themen Nationalsozialismus, Holocaust, Staatsterror, Rassismus, rechtsradikale Umtriebe, Integrationsproblematik sehr gut einsetzbar. Zugleich empfiehlt er sich auch als individuelle Lektüreempfehlung in einer Unterrichtseinheit zur Adoleszenzthematik zum Verhältnis der Geschlechter. Die fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele „Politische Bildung“ sowie „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ und „Werteerziehung“ lassen sich durch dieses Buch thematisieren.

Gattung

  • Romane

Eignung

für die Schulbibliothek empfohlen

Altersempfehlung

Jgst. 8 bis 12

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geschichte

FÜZ

  • Alltagskompetenz und Lebensökonomie
  • Politische Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783522201247

Umfang

365 Seiten

Medien

  • Buch