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Josef Winkler: Lass dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe

Besprechung

„Warum hast du geschwiegen...“ so lautet der erste ganze Satz des Romans und dieser Frage geht das Erzähler-Ich in zehn Kapiteln nach. Leitmotiv ist die Tatsache, dass auf dem Gemeinschaftsfeld des Ortes Kamering in Kärnten, Geburtsort des Autors, der SS-Führer Odilo Globocnik, maßgeblicher Organisator der sogenannten“Säuberung“ der Ostgebiete, Oberitaliens und Österreichs, verscharrt worden war, was im Dorf nie erzählt oder gar aufgearbeitet wurde, obwohl vor allem die Männer ständig vom Krieg reden und dabei nur Phrasen dreschen. Es wird auch berichtet, dass der Pfarrer den Kriegsverbrecher nicht auf seinem Friedhof begraben wollte, aber vor allem weil er Selbstmord begangen hatte. Die Erzählung von der Arbeit auf dem Feld über dem toten Massenmörder, vom geernteten Weizen und dem Brot auf dem Tisch wird begleitet durch die Anklage, in Du-Form an den Vater Jakob oder Jockel gerichtet, dass verschwiegen wurde, auf welchem Boden man sich bewegte und aus welcher Erde das Korn wuchs. „Zwei Millionen ham'ma erledigt!“ - dieser Satz Globocniks wird immer wieder zitiert. Der Erzähler berichtet von sich als dem Kind, das immer einen Bleistift in der Hand hielt und seiner Mutter Geld stahl, um Bücher zu kaufen. Später, nachdem er die ersten Bücher geschrieben hatte, weil er in eine tiefe Krise gestürzt war, kehrte er nach Hause zurück, wo er als „Nestbeschmutzer“ massiv attackiert wurde. Die dumpfe Atmosphäre in den Bauernkaten mit ihren engen, schlecht riechenden Stuben und die Enge des geistigen Horizonts, die der junge Sepp hinter sich lassen will, beschwört der alternde Autor mit seinen wiederkehrenden Formeln wieder, um sie sozusagen erzählerisch auszuräuchern. Den Kapiteln gehen neben einer Überschrift Gedichte in jiddischer Sprache und Abschnitte des Kinderverses vom Bauern, der den Jockel (siehe der Vater) mit einem Auftrag ausschickt, voraus, über dem letzten Kapitel steht die paradoxe Auflösung, in der der Herr die erteilten Aufträge zur Bestrafung persönlich anstößt, was rückwärts ausgeführt eigentlich nicht mehr funktioniert, da doch der Henker vom Teufel geholt wird, bevor er den Schlächter hängt, Hauptsache der Jockel schneidet den Hafer, worum es dem Bauern eigentlich geht. Erzählt ist die Geschichte mit vielen Wiederholungen, wodurch Schlüsselszenen aus dem einfachen Dorfleben oder aus dem Leben der Familie des jungen Außenseiters in immer neuen Wendungen erzählt werden. Abschnitte, die kaum länger als eine Seite sind und meist aus wenigen Sätzen mit zahlreichen Einschüben und Nebensätzen bestehen, unterteilen die Kapitel.

Didaktische Hinweise

Die Geschichte beruht auf Tatsachen, der historische Hintergrund der „Aktion Reinhardt“ und des Massenmörders kann begleitend im Geschichtsunterricht behandelt werden, wofür die im Anhang genannte Biografie Globocniks Grundlagen bietet. Dem Roman ging ein Theaterstück voran, das Winkler 2017 als Auftragswerk verfasste. Ein Vergleich beider Textformen bietet sich an. Es stellt sich die Frage, warum der mit 99 Jahren inzwischen verstorbene Vater und die Dorfbewohner auch lang nach dem Krieg den jungen Schriftsteller und damit die Aufarbeitung allgemein bekannter Tatsachen so vehement ablehnen. Auch die Gedichte der jüdisch-polnischen Dichterin Rajzel Zychlinski in jiddischer Sprache und ihre Übersetzungen und ihre Funktion in Bezug auf die Geschichte sind ein Thema.

Gattung

  • Romane

Eignung

themenspezifisch geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Geschichte

Erscheinungsjahr

2018

ISBN

9783518427965

Umfang

199 Seiten

Medien

  • Buch