Rainald Goetz: Johann Holtrop / Schlucht Bd.3

Besprechung

So steht es auf dem Cover und so schreitet Johann Holtrop, der charismatische, vorwärtsstürmende Chef. Atemlos, dauerinnovativ, berauscht, nicht aufzuhalten macht er zunächst wahnsinnige Gewinne und dann wahnsinnige Verluste. Erzählt wird in drei Teilen von der Geschichte eines Managers in den Nullerjahren. Noch ist Holtrop Vorstandsvorsitzender der Assperg AG, eines Medienkonzerns. Nach seinem märchenhaften Aufstieg ist der Fall tief, als er entlassen wird. Er reagiert mit Desorientierung und Depression, kann aber zunächst in London und dann auch wieder in Deutschland nochmals Karriere machen, bis er schließlich ruiniert ist und vor Gericht steht. Egomanie, Rücksichtslosigkeit, Verachtung, völlige Abwesenheit von Verantwortungsgefühl sind die Kennzeichen Holtrops und seiner Welt. Dass er selbst zum Opfer wird, scheint fast logisch. Der Wahnsinn der Figur spiegelt sich in der Sprache, das Buch zeigt aufschlussreich und eindrucksvoll die Auswüchse der entfesselten Geschäfts- und Finanzwelt am Beispiel eines ihrer Repräsentanten. Ähnlichkeiten mit dem Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff sind gewollt, aber der Romane beansprucht und leistet Grundsätzlicheres: Es geht um einen „Abriss der Gesellschaft“, also um Überblick und Bankrotterklärung zugleich. Ausgezeichent mit dem Deutschen Buchpreis 2012.