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Sebastian Polmans: Junge

Besprechung

Ein fast quälende, autistische Erzählhaltung zwingt der/dem Leser/in, bis ins kleinste visuelle und akustische Detail, die Wahrnehmung eines konsequenterweise namenlos bleibenden Jungen auf. Er – und mit ihm die/der gefangen genommene Leser/in - befindet sich im Grenzgebiet zwischen Deutschland und den Niederlanden nahe eines Militärflughafens auf einem Wachturm. Er beobachtet und spielt mit seinen Vorstellungen und Wahrnehmungen, indem er die Augen schließt und der Sonne zuwendet, sich die Ohren mit den Fingern verstopft oder durch ein Fernglas guckt. Er sieht die Welt bis in die kleinste Einzelheit, aber manchmal ist seine Perspektive surreal und die Wahrnehmung von Erscheinungen seines Körpers beeinflusst. Es geht um eine typische Adoleszenz-Krise, aber auch um mehr, nämlich die Krise einer Entfremdung. Die äußere Handlung ist alltäglich, der Junge fährt mit dem Fahrrad zu seinem Großvater, dann zu seinen Eltern. Am nächsten Morgen muss er mit in die Kirche und erfährt vom unerwarteten Tod seines Großvaters. Das ist der Auslöser: der Junge verwirklicht eine lange gehegte Phantasie, seine Flucht. Er gerät in ein Unwetter und liegt mitten im Gewitter und Platzregen auf der Straße, als die Erzählung endet. Herzrasen, Atemnot und Schwindelgefühle verfolgen das Kind, gleichzeitig nimmt es seine Umgebung wahr, wie unter einer Lupe. In der Schlussszene ist es mitten im Matsch ein Marienkäfer, den er beobachtet. Die Naturschilderungen in Büchners „Lenz“ fallen einem ein: auch da ist es ein personaler Erzähler, aus dessen Sicht die Natur mit all ihren Erscheinungen hautnah beschreiben wird. Andere literarische Bezüge klingen an, aber die Ausschließlichkeit der Innensicht dieses fast hermetisch zu nennenden Textes beinhaltet Neues. In der Erzählung werden Schwarz-weiß-Photos geschildert, die in den realen Text integriert sind. Eines zeigt einen Platz in Tokio und führt direkt zum Ende und der erträumten Flucht nach Japan.

Didaktische Hinweise

Die Abgrenzung zu den literarischen Vorbildern ist ein mögliches Thema, auch zu Jugendromanen, die sich mit der Pubertät befassen. Über den 1982 geborenen Autor finden die Jugendlichen Zugang zu der Erzählung. Ein Vergleich mit dem ganz anders gearteten, aber ähnlich monoperspektivischen Buch des gleichaltrigen Leif Randt „Schimmernder Dunst über Coby County“ bietet sich an. Die Frage kann gestellt werden, ob es sich um „schöne“ Literatur im Sinne des l'art pour l'art handelt oder ob nicht beide Autoren eine Aussage über die moderne Welt machen, die nicht so unterschiedlich ist.

Gattung

  • Kurzprosa, Erzählungen, Textsammlungen, Tagebücher

Eignung

als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 11 bis 13

Fächer

  • Deutsch

Erscheinungsjahr

2011

ISBN

9783518422465

Umfang

195 Seiten

Medien

  • Buch
  • E-Book