mobile Navigation Icon

Marie Ndiaye: Drei starke Frauen

Besprechung

Norah, Fanta und Khady sind drei Frauen, die sich gegen die Vorstellungen von Familie und Mitmenschen durchsetzen oder es zumindest versuchen. Marie Ndiaye, eine in Deutschland noch nicht sehr bekannte Autorin, hat 2009 als erste Dunkelhäutige und seit 12 Jahren erste Frau den Prix Goncourt für den Roman bekommen, den angesehensten Literaturpreis Frankreichs. Sie ist in Frankreich geboren und aufgewachsen und lebt seit 2007 in Berlin, da sie das Frankreich Sarkozys und seine Migrationspolitik nicht erträgt. Norahs Geschichte macht den Anfang in diesem Band. Sie ist erfolgreiche Anwältin und hat eine kleine Familie. Ihr Vater, der mit einer Ferienanlage wohlhabend geworden ist, ruft sie zu sich, da er Hilfe brauche. Als sie in Dakar ankommt, stellt sie fest, dass ihr Bruder Sony in Untersuchungshaft sitzt, da er die junge Frau seines Vaters umgebracht haben soll. Norah ist wegen ihrer juristischen Kenntnisse gekommen, aber sie gerät an die Grenzen ihrer Lebensgrundlage und entdeckt schlimme Familiengeheimnisse. Aus der Sicht ihres französischen, in Afrika aufgewachsenen Mannes, der als Vertreter für Küchen arbeitet, wird Fanta dargestellt und deren Leben in der französischen Provinz. Ihr Mann hat ihr im Streit gesagt, sie solle doch nach Afrika zurückkehren. Er schämt sich und fährt ziellos umher, während er über sein Leben nachdenkt. Am Ende begeht er fast einen Mord, wie es sein Vater getan hat. Die dritte Frau, Khady Demba, die in der ersten Geschichte als Nanny die Kinder von Norahs Vater hütet, schafft den Weg nach Europa nicht. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes wird sie von dessen Familie mit dem vagen Hinweis auf eine in Frankreich lebende Cousine, Fanta, mit einem Schleuser auf den Fluchtweg geschickt, wird verletzt und in einer grenznahen Stadt zur Prostitution gezwungen. Sie verliert alles, erholt sich halbwegs von Wundfieber und Unterernährung und stirbt doch schließlich beim Versuch, einen Grenzzaun zu überwinden. Ihr Ende ist schrecklich, ihr Leben war es auch: von ihren Eltern verstoßen, von den Verwandten des Mannes missachtet, ohne eigene Kinder, die sie sich so sehr gewünscht hatte. Khady Demba verliert nie den Wunsch, ihr Leben selbst bestimmen zu wollen, nie ihren Stolz, „ich, Khady Demba“ zu sein. Mit großer Empathie und durch die Wahl eines personalen Erzählstils lässt die Autorin ihre Leserschaft die Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken der Protagonistinnen gleichsam hautnah miterleben.

Didaktische Hinweise

In Zusammenhang mit den Hintergrundinformationen aus dem Buch von Fabrizio Gatti: Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa (Kunstmann 2008), das den Weg afrikanischer Flüchtlinge durch die Sahara beschreibt und das auch Ndiaye gelesen hat, sollte das Thema Menschenwürde ein Thema des Ethikunterrichts sein. Migration und Politik sollten in Französisch, Deutsch, Ethik und Sozialkunde thematisiert werden. Der sachlich-analytische, manchmal poetische und symbolhaltige Erzählstil, der die grausamen Inhalte erst langsam ins Bewusstsein sickern lässt, könnte im Original, aber auch in der gelungenen Übersetzung untersucht werden.

Alle hier rezensierten Werke von Marie Ndiaye

Gattung

  • Romane

Eignung

sehr gut als Klassenlektüre geeignet

Altersempfehlung

Jgst. 10 bis 13

Fächer

  • Deutsch
  • Ethik/Religionslehre (Evang. Religionslehre
  • Französisch

FÜZ

  • Interkulturelle Bildung
  • Politische Bildung
  • Werteerziehung

Erscheinungsjahr

2010

ISBN

9783518421659

Umfang

342 Seiten

Medien

  • Buch